EAGLE EYE

Dauerkracher

Der Überwachungsstaat rennt Amok

In diesem hyperventilierenden Paranoia-Thriller gerät der hochtechnisierte Überwachungsstaat außer Rand und Band und instrumentalisiert zwei unschuldige US-Bürger für seine verschwörerischen Zwecke.

Die erste Überraschung erfolgt für den jungen Tagedieb und Gelegenheitsjobber Jerry (Shia LaBeouf) am Geldautomaten. Statt der gewohnten Auszahlungsverweigerung, zeigt das Gerät plötzlich einen Kontostand von 751.000 Dollar an und beginnt sogleich mit der zügigen Auszahlung des Betrages. Zuhause im heruntergekommenen Untermietzimmerchen wartet eine Lieferung: Pistolen, Maschinengewehre und Sprengstoff stapeln sich bis zur Decke. Das Handy klingelt und eine virtuelle Frauenstimme erklärt: "Sie wurden aktiviert" und kündigt den Besuch eines FBI-Kommandos in wenigen Sekunden an.

"Das ist die falsche Zeit, um ins Terroristen-Geschäft einzusteigen" bemerkt der FBI-Agent Morgan (Billy Bob Thornton) und ignoriert alle Unschuldsbeteuerungen des Gefangenen. Aber bald klingelt auch im FBI-Quartier das Telefon und die Stimme navigiert Jerry durch ein halsbrecherisches Fluchtszenario.

In diesen ersten atemlosen zwanzig Minuten entwickelt Eagle Eye eine beachtliche Sogwirkung. Mit der Hauptfigur wird das Publikum mitten hinein in ein Chaos geworfen, das sich nur langsam zu strukturieren beginnt. Dem Helden wider Willen wird mit der alleinerziehenden Mutter Rachel (Michelle Monaghan) eine Begleiterin zur Seite gestellt, die ebenfalls von der Telefonstimme "aktiviert" wurde und seitdem um das Leben ihres Sohnes bangt.

Die beiden werden zum Werkzeug einer Macht, die über den Zugriff auf alle Daten- und Schaltzentralen vom Mobiltelefonen über Fernsehbildschirme bis hin zu Verkehrsampeln verfügt - ein Alptraum der Vernetzung, der seinen Ursprung in staatlicher Terroristenparanoia und Überwachungshysterie hat.

Aber auch wenn Regisseur Caruso ( Disturbia ) seine politischen Gegenwartsbezüge zum "Patriot Act" und "War on Terror" recht offen ausspielt, verliert der Film nach einer vielversprechenden Exposition schnell an Glaubwürdigkeit. Ohne Sinn und Verstand wird das Heldenduett von einer Action-Szene zur nächsten gehetzt und hat dabei keine Chance, sich zu halbwegs interessanten Charakteren zu entwickeln, um deren dauergefährdetes Wohlergehen sich das Publikum doch sorgen soll.

Das Drehbuch, an dem vier Autoren herumgedoktert haben, arbeitet fleißig an der Maximierung der Kolalateralschäden und schert sich wenig um die Entwicklung einer schlüssigen Geschichte. Flugzeuge, Züge, Busse und Autos sind in die zweistündige Dauerverfolgungsjagd involviert und werden in malerischen Digitalsequenzen zu Schrott gefahren oder in die Luft gesprengt. Das Problem des Films ist jedoch nicht seine Geschwindigkeit, sondern die mangelnde Sorgfalt in den Details und der Anlage der Charaktere. Auch der rasante Schnitt und die hohe Eventdichte können die narrativen Unplausibilitäten des Films nicht verbergen, der wie ein überteuerter Werbetrailer für die eigene Weiterverwertung als Videospiel wirkt.

Martin Schwickert

USA 2008 R: D.J. Caruso B: John Glenn, Travis Adam Wright, Hillary Seitz, Dan McDermott K: Dariusz Wolski D: Shia LaBeouf, Michelle Monaghan, Rosario Dawson, Billy Bob Thornton