The East

Verwirrt dagegen

Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein: über die Unwägbarkeiten der Selbstgerechtigkeit

Schwarz färbt das Öl das Meer, den Strand und das Gefieder der Vögel. Schwarz fließt das Öl aus den Lüftungsschächten in der Villa des millionenschweren Vorstandschefs, dessen Firma die Umweltkatastrophe verursacht hat. "Auge um Auge, Zahn um Zahn" lautet das biblische Motto der Öko-Aktivisten, die den Anschlag verübt haben und die Verantwortlichen in Wirtschaft und Industrie für die Zerstörung der Umwelt persönlich zur Rechenschaft ziehen. In den Chefetagen reagiert man zunehmend nervös auf die militanten Aktivitäten der Gruppe, die unter dem Label "The East" ihre erfolgreichen "Jams" im Internet veröffentlicht.

Weil man dem FBI die Lösung des lästigen Problems nicht zutraut, wird ein privates Sicherheitsunternehmen engagiert. Die ambitionierte Nachwuchsagentin Jane (Brit Marling) wird von ihrer Chefin (Patricia Clarkson) beauftragt, die illegale Organisation zu infiltrieren. Nach langwierigen Erkundungen an den Randzonen der Gesellschaft gelingt ihr schließlich der Zugang zur Gruppe, die in einem abgelegenen Haus tief im Wald lebt. Auch wenn die Aktionen streng nach dem Konsensprinzip ausgehandelt werden, ist der charismatische Benji (Alexander Skarsgård) der ungekrönte Anführer der Organisation, deren Mitglieder sich nicht nur in politischen Diskussionen, sondern auch in sektenähnlichen Vertrauensritualen einander versichern. Schon bald erliegt die Agentin der kollektiven Anziehungskraft und fragt sich, welches der beiden Leben, die sie führt, das Richtige ist.

Vordergründig als Undercover-Thriller angelegt, geht The East weit über einen Krimiplot hinaus. Der Film, der eine gewisse Seelenverwandtschaft zu Weingartners Die fetten Jahre sind vorbei aufweist, stellt durch die Radikalität seiner Hauptfiguren nicht nur die moralische Frage nach der persönlichen Verantwortung für die destruktiven Kräfte des Kapitalismus, sondern analysiert auch mit großer Genauigkeit die Psychostrukturen einer Gruppe, die sich von der Gesellschaft abgekoppelt hat. Als die Gruppe sich in feinstem Zwirn unter die Gäste einer Firmenparty mischt, um den Vertretern der Pharmaindustrie ihre eigenen, schädlichen Medikamente zu verabreichen, gerät Jane in Konflikt. Für ihre Chefin hingegen ist der Sachverhalt klar: Der betroffene Konzern gehört nicht zu ihren Auftraggebern, ein Einschreiten ist nicht angezeigt.

Immer wieder baut der Film moralische Zwickmühlen auf, aus denen es keine schuldfreien Auswege gibt. Konträr zum politischen Realitätsbezug steht das fast schon märchenhafte Setting im tiefen dunklen Wald, in den sich die Aktivisten zurückgezogen haben. Das halb verfallene Haus ist einerseits morbides Symbol für den Restbestand einer dem Untergang geweihten Zivilisation, andererseits ein verwunschener Ort, an dem die Grenzen zwischen Menschenwerk und Natur durch hereinwachsende Pflanzen und Bäume nicht mehr auszumachen sind.

Brit Marling, die auch das Drehbuch mitverfasst hat, Alexander Skarsgård und Juno-Darstellerin Ellen Page verleihen ihren Figuren eine emotionale Tiefe, ohne deren Geheimnisse restlos preiszugeben. Sie gehören zu den vielversprechenden Nachwuchstalenten eines jungen, amerikanischen Independent-Kinos, das in The East zu einer neuen Vitalität und gesellschaftskritischen Relevanz findet.

Martin Schwickert

USA 2012 R: Zal Batmanglij B: Zal Batmanglij, Brit Marling K: Roman Vasyanov D: Brit Marling, Alexander Skarsgård , Ellen Page