AUF MESSERS SCHNEIDE


Männer

Im Kampf mit der Natur: Anthony Hopkins und Alec Baldwin

Des Mannes Manneskraft beweist sich immer noch am besten auf freier Wildbahn, und ebendorthin, mitten in die Weiten Alaskas, katapultiert Auf Messers Schneide seine beiden Protagonisten. Eben noch hat der gebildete Billionär Charles den Modefotographen Bob gefragt: "Und wie genau planen Sie mich umzubringen?", da gerät ihr Motorflugzeug in einen Schwarm Wildgänse und stürzt ab. Die Männer können sich retten, und mit zwei Leuchtraketen, zehn Streichhölzern und einem Taschenmesser beginnen sie ihren Survival-Trip. Aber die Helden kämpfen nicht nur gegen die Unbillen der Natur, sondern vor allem gegeneinander. Charles (Anthony Hopkins) ist ein introvertierter Mensch, sein Dasein als Billionär hat ihm viel Zeit zum Lesen gelassen. Er hat die Welt auswendig gelernt und verfügt über ein enzyklopädisches Detailwissen. Anthony Hopkins stattet den brillanten Theoretiker mit der üblichen Portion Charisma aus. Alte reiche Männer haben junge hübsche Ehefrauen, und Charles' Gattin Mickey könnte eigentlich auch dessen Enkelin sein. Fotomodel Mickey (gespielt vom Super-Duper-Model Elle MacPherson) hat eine Affaire mit ihrem Fotografen. Beim Shooting vor der Naturkulisse Alaskas kriecht Bob (Alec Baldwin) fast mit der Kamera in sie hinein. Das entgeht auch Charles nicht, und aus seinen Beobachtungen resultiert oben zitierte Fragestellung vor dem Absturz.
Frauen hin, Frauen her - hier in der Wildnis sind die Rivalen aufeinander angewiesen. Charles, der Sesselfurzer, blüht in dieser ausweglosen Situation völlig auf. Endlich kann er sein angelesenes Wissen über die Natur und ihre Gewalten in der Praxis erproben. 1a Pfadfindertricks werden zur Anwendung gebracht: Kompaß basteln aus Büroklammer, Speere schnitzen, Fallen bauen, und als größte Herausforderung gilt es, einen menschenfressenden Kodiak-Bären zu erlegen. Auf Messers Schneide widmet sich eingehend der Remaskulinisierung seiner Helden im Kampf gegen die unbarmherzige Wildnis. Wenn der neuseeländische Regisseur Lee Tamahori (Die letzte Kriegerin, Mulholland Falls) in seinem zweiten Hollywood-Film den Bär steppen läßt, tritt der Konflikt der männlichen Konkurenten in den Hintergrund. Aus dem Off kündigen gruselige Basslaute das baldige Erscheinen des Riesenviehs an und die Szenerie gehört dann ganz "Beart the Bear", der schon in diversen bärenlastigen Hollywoodfilmen Hauptrollen übernommen hat. Im 20 minütigen Rhythmus sorgt das Tier für Action und unterbricht die psychodramatischen Verwicklungen der menschlichen Rivalen.
Mit Auf Messers Schneide" hat Tamahori das Script des hochangesehenen US-Dramatikers David Mamet in Szene gesetzt. Mamet, der z.B. auch für das Drehbuch von Die Unbestechlichen verantwortlich zeichnete, versteht es, die Höhen und Tiefen von Männerfreundschaften auszuloten. Aber Mamet und Tamahori wollten mehr als das: sie wollten Psychodrama, Action und Naturtrip miteinander verbinden. Und so wurden die Zutaten zwar schnell in einen Topf geworfen, aber nicht ordentlich verrührt. Immer wenn das Psdychodrama interesssant zu werden droht, läßt Tamahori den Bär tanzen, und alle zwischenmenschliche Spannung verpufft in hektischen Flucht- und Kampfszenen. Gleichzeitig reicht der Schauwert des Riesenteddys für einen ordentlichen Actionfilm keinesfalls aus. Die imposanten Naturaufnahmen wiederum sind zwar schön anzusehen, aber die Stimmung der Landschaft wirkt nicht in die Geschichte hinein. Was bleibt, ist ein ansehnlicher Anthony Hopkins, der sich hier auch einmal körperlich ein wenig austoben darf, und jene unvergesslichen Szenen voller unfreiwillliger Komik, etwa wenn Hopkins und Baldwin begeistert immer und immer wieder skandieren:"Ja, ich werde den Bären töten! Was ein Mann kann, kann auch ein anderer!" Waidmannsheil!

Martin Schwickert