EIN FREUND VON MIR

Kumpels

Was Männer aneinander mögen

Sie stehen an den entgegen gesetzten Enden unserer schönen, modernen Dienstleistungsgesellschaft. Der Mathematiker Karl (Daniel Brühl), der im Glaspalast eines Versicherungskonzerns arbeitet und gerade den Goldenen Bogenschützen für das beste Produkt des Jahres überreicht bekommen hat. Und Hans, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt. Als Karl für seine Firma bei einer Autovermietung am Flughafen als Fahrer undercover recherchieren soll, treffen die beiden ungleichen Typen aufeinander.
In Absolute Giganten hatte Sebastian Schipper den langsamen Verfall einer Jugendfreundschaft hin ins Erwachsenendasein geschildert. In Ein Freund von mir geht er den umgekehrten Weg und beschreibt die Entstehung einer Männerfreundschaft, die mit der Wiederentdeckung der eigenen Jugendlichkeit einher geht.
Karl ist ein glückloses Wesen. Am Anfang nervt ihn das ewige Gequassel des Kollegen noch, aber schon bald schafft es Hans den verstockten Bürohengst aus der Reserve zu locken. Bist du glücklich? fragt Hans ihn bei einer der ersten Begegnungen, stellt ihm seine Königin Stelle (Sabine Timoteo) vor und hat scheinbar auch nichts dagegen als Karl sich in sie verliebt.
Sebastian Schipper verzichtet im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Filmemachern darauf, seinen Figuren unheilbare Krankheiten oder Selbstmordversuche auf die Schultern zu laden und sie vor den Karren eines Handlungsschemas zu spannen. Eigentlich passiert in Ein Freund von mir nicht viel. Zwei Männer lernen sich kennen und mögen - das reicht aus, um das Leben der Figuren grundlegend zu verändern.
Leider sind die Charaktergegensätze, die Schipper mit Brühl und Vogel ganz und gar nicht gegen deren Image besetzt hat, etwas zu plakativ geraten. Hervorragend hingegen ist die Kameraarbeit von Oliver Bokelberg, der aus den gläsernen Bürotürmen, den chromblitzenden Flughafenhallen, den neonerleuchteten Tiefgaragen eine grelltriste Welt erschafft, in die Vogel und Brühl erfolgreich ihr Herzblut injizieren können.

Martin Schwickert

D 2006 R&B: Sebastian Schipper K: Oliver Bokelberg D: Daniel Brühl, Jürgen Vogel, Sabine Timoteo


Das Interview zum Film