1 MORD FÜR 2

Seele unter Latex

Nachdem Kenneth Branagh die Shakespeare-Stücke ausgegangen sind, dreht er Thater-Adaptionen

Anthony Shaffers Zwei-Personen-Kammerspiel "Sleuth" wurde schon einmal 1972 unter dem Titel Mord mit kleinen Fehlern von Joseph L. Mankiewicz verfilmt. Laurence Olivier spielte damals den reichen Schriftsteller und Michael Caine den jungen Rivalen. In Branaghs Kinoversion hat Caine nun 35 Jahre später die Seiten gewechselt und schlüpft in die Rolle des gehörnten Ehemannes.
Allein residiert Andrew Wyke in seinem weiträumigen englischen Landsitz. Eines Nachmittags steht der junge, schöne, mittellose Schauspieler Milo Tindle (Jude Law) auf der Matte, der mit Wykes Frau eine ehebrecherische Beziehung unterhält. Er will mit dem Konkurrenten die Scheidungsmodalitäten aushandeln. Aber der eifersüchtige Gatte denkt gar nicht daran, seine Frau und deren Anteil am ehelichen Vermögen freizugeben. Der versierte Krimi-Autor hat sich seinen eigenen Plot ausgedacht, und ein Happy-End für das junge Glück ist darin nicht vorgesehen. Und so beginnt ein Hahnenkampf, der nicht nur verbal auf die vollständige Demütigung des Gegners abzielt.
Alles an Branaghs Kinokammerspiel wirkt perfekt. Die messerscharfen Dialoge, von Nobelpreisträger Harold Pinter höchstpersönlich nachgeschliffen; die Kulisse, die mit Designer-Möbeln und kalter Stahl-, Glas- und Betonarchitektur prunkt; der fein gedrechselte Plot, der die dramaturgischen Falltüren sekundengenau aufklappen lässt. Und natürlich die beiden Hauptdarsteller, die mit chirurgischer Präzision agieren und ihre Sätze wie Würgeschlingen um den Hals des Gegners legen.
Man schaut, staunt, genießt und hat doch nach einer Stunde genug. Iim Dauerbetrieb wirkt das Designer-Stück zu selbstverliebt. Die permanente Umkehrung der Machtverhältnisse im Zweikampf ist ab einem bestimmten Punkt eher ermüdend als belebend, und spätestens, wenn Jude Law sich eine Latexmaske vom Gesicht zieht, will man die letzten Türchen im Überraschungskalender einfach nicht mehr aufmachen.
Auch die beiden hyperpräsenten Schauspieler, die ununterbrochen ihr Bestes geben, wirken im letzten Drittel eher überreizt. Vom unbedingten Willen zum Meisterhaften in den Kinosessel gepresst, sehnt man sich nach etwas Beiläufigem, einem achtlos hingeworfenen Satz, einem indifferenten Gesichtsausdruck, einem unpointierten Seufzer, nach irgendetwas Banalem, das die Perfektion aufbricht und die Seele der Geschichte zum Vorschein bringt. Vergebens.

Martin Schwickert

Sleuth USA 2007 R: Kenneth Branagh B: Harold Pinter K: Haris Zambarloukos D: Michael Caine, Jude Law