Ein Sommer in der Provence

Ferien mit Gefühl

Jean Reno als Olivenbauer grummelt sich an seine Enkel heran

Was für eine Überraschung! Weil seine Tochter, mit der er seit 17 Jahren nicht mehr spricht, plötzlich wegen Jobsuche und Scheidung das Land verlassen musste, stehen beim provencialischen Olivenbauer Paul (Jean Reno) plötzlich drei Enkelkinder vor der Tür, um bei ihm den Sommer zu verbringen. Die pubertierende Leá und ihr gerade die Frauenwelt entdeckender Bruder Adrien sind selbst nicht begeistert, statt in Paris bei Facebook und Party die Ferien auf dem öden Land zu verbringen, wo das Handy keinen Empfang hat und das nächste Kino 10 Kilometer entfernt ist. Nur der kleinste der drei Enkel, der taube Theo, wird sich mit dem grummeligen Opa bald anfreunden und das Herz des knorrigen Alten erweichen.

Der unumstrittene Star in Rose Boschs Sommerkomödie ist die Provence. Pauls Hof liegt mitten in einer idyllischen Landschaft, in der die Sonne immer scheint und der Mistral kräftig bläst. Hier stehen kauzige Dörfler am Straßenrand und pfeifen schönen Frauen hinterher, die sich dann kokett abwenden und den Wind effektvoll durch Kleider und Haare fahren lassen. Kein Wunder, dass bei allen Konflikten die Sehnsucht nach Ausgleich siegt. Opa ist eigentlich gar nicht so übel und hat eine wilde Vergangenheit als Woodstock-Besucher und Backpacker. Als der Enkel heimlich eine Facebook-Seite für Paul einrichtet, stehen dessen alte Freunde samt alten Motorrädern plötzlich vor der Tür, und wir lernen, dass die Alten auch ein wildes Leben hatten. Oder wie Paul einmal über seine gepiercte Enkelin schimpft: "Wir hatten Blumen im Haar und keine Nägel im Kopf!".

Man kann nicht sagen, dass Rose Bosch irgendein Klischee auslassen würde, das man in solchen Filmen erwartet. Der Dorfschönling will das Herz der schönen Leá stehlen, die örtliche Eisverkäuferin lässt Adrien gern in ihr Dekolleté blicken als wären wir in Fellinis Amacord, und Opa hat ein traumatisches Erlebnis, über das man besser nicht spricht. Und alle Wege führen zur Selbstfindung. "Du kommst doch nächstes Jahr wieder?", flüstert die Dorfschöne Adrien zu, der längst die Schönheit und Schönheiten der Provence zu schätzen gelernt hat.

Die innere Not, die Bosch empfunden haben muss, all das einzubauen (nicht zu vergessen den Ausflug in die nicht minder idyllische Camargue) führt zu einer seltsam atemlosen Dramaturgie, in der wir in den nächsten Konflikt geschubst werden und noch gar nicht begriffen haben, dass das Thema davor bereits abgehandelt wurde. Und nicht wieder vorkommen wird. Avis de Mistral, so der schöne französische Titel, wirkt, als sei er mal auf drei Stunden angelegt gewesen.

Bei allen Schwächen unterhält dieser filmische Landurlaub, weil neben den vielen Sonnenszenen, der Liebe zum Landschaftsdetail (der Film wirkt wie vom Tourismusbüro gefördert) ein großartiges Ensemble den vom Drehbuch sehr schwach angelegten Figuren viel Leben verleiht. Selbst der am Ende hereinbrechende Alkoholentzug Pauls wirkt da wie ein Mosaiksteinchen auf dem Weg zum glücklichen Leben. Abgerundet wird das durch einen Wohlfühl-Soundtrack, der von Simon & Garfunkel bis zu Deep Purple reicht. Und den 80jährigen Chansonnier Hugues Aufray als Pauls alten Kommunarden-Kumpel auftreten zu lassen, damit er später am Lagerfeuer live zur Gitarre "Forever Young" spielt, ist auch keine schlechte Idee.

Alles wird gut.

Thomas Friedrich

Avis de Mistral F 2014 R & B: Rose Bosch K: Stéphane Le Parc D: Jean Reno, Anna Galiena, Chloé Jouannet, Hugo Dessioux, Tom Leeb, Hugues Aufray, 105 Min.