»EISKALTE ENGEL«

Gelangweilte Blagen

»Gefährliche Liebschaften« in Manhattan

Langeweile übermannt die Begüterten dieser Welt bekanntlich leicht. Den ganzen Tag herumfaulenzen - daran finden auch die Stiefgeschwister Kathryn (Sarah Michelle Gellar) und Sebastian (Ryan Phillippe) keine Freude. Von ihren Eltern verlassen, kämpfen die Teenager den lieben Sommer lang gegen die grausige Ödnis des Alltags an. Wie es dem Duo infernale dabei gelingt, unvergeßliche Ferien zu verbringen, erzählt die Klamotte Eiskalte Engel : Die Zuschauer erwartet allerdings kein Ferris macht blau auf der Upper East Side. Die Dekadenz der Hauptfiguren ist zwar eng an die Topographie um den Central Park gekoppelt, jedoch noch enger an die Erzählung "Gefährliche Liebschaften" von Choderlos De Laclos. Regisseur Roger Kumble entdeckte in dem einst skandalösen Stoff Parallelen zur verwöhnten Jaguar-Jugend und paßte seine Adaption dem aktuellen Boom von Teenager-Trash ( Scream , Düstere Legenden etc.) an.
Sebastian und Kathryn tragen den Nachnamen Valmont, der ihre aktive Feriengestaltung bereits andeutet. Beide Geschwister verfügen neben Stadtpalais und Kreditkarten über Luxuskörper, an denen sich Begehren ihrer Zeitgenossen brechen. Die sexualisierten Müßiggänger benutzen die Wünsche, verstricken ihre Koituspartner in amoröse Intrigen und anschließend in emotionales Unglück.
Sebastian zerbricht sich sein Lockenköpfchen: Wer ist einer Entehrung noch würdig? Wer ist noch nicht vom Duft Manhattans zerfressen? Und wer trägt nicht ständig schwarze Designermode, egal wie hoch die Sonne im Zenit steht?
Der durchschaubare Symbolismus des Filmes bricht sich bahn in Gestalt einer weißgewandeten, jungfräulichen Kleinstädterin (Reese Witherspoon). Annette ist die gerufene Erfüllung des Heißsporns, das gewisse Prickeln am Nachmittag. Um das erotische Geplänkel anzuheizen, fordert Kathryn ihren Stiefbruder heraus. Gelingt ihm der Geschlechtsakt mit Annette nicht, erhält sie seinen Jaguar. Defloriert Sebastian die Auserwählte, darf er sich seinen geheimsten Wunsch erfüllen: ein Amüsement mit Kathryn. Die Abfolge der Eroberung gestaltet sich als Merchant/Ivory-Produktion mit Armani-Garderobe. Der Regisseur (und Drehbuchautor in Personalunion) setzt auf wohltemperierte Ästhetik, produktive Gegensätze (Stadt/Land) und übertriebene Zeichensprache. Der Kokainvorrat im Kreuz Christi, die Identitätssuche im Spiegel oder die weichgezeichneten Landaufnahmen beleuchten die Didaktik von Eiskalte Engel . Die Künstlichkeit krönen die geschliffenen Dialogen, die möglicherweise dem Vorbild entnommen wurden. Eingedenk der Widrigkeiten unterhält der Film auf einem gewissen Niveau. Er läßt sich leicht als Trash konsumieren und protzt mit augenzwinkernder Halbnacktheit. Für das eigene Ferienprogramm lernen wir aus Eiskalte Engel , daß Langeweile ein teuflischer Ratgeber ist.

Ulf Lippitz