DAS FÜNFTE ELEMENT


Nur die Liebe zählt

Luc Bessons krawallige Science-Fiction-Oper

Seit Tausenden von Jahren befindet sich im Hinterzimmer eines ägyptischen Tempels eine Art Apparatur zur Rettung der Erde: vier magische Quader, die die Elemente Erde, Feuer, Luft und Wasser repräsentieren. Zusammen mit einem immer wieder neu zu installierenden fünften Element dient das Ganze als einzige Waffe gegen das Böse, das alle fünftausend Jahre durch eine Dimensionenspalte schlüpft und alles Leben zu vernichten trachtet. Als die Menschen die Apparatur entdecken, kommen die Weltrettungs-Installateure, etwas ungeschlachte aber durchaus liebenswürdige Wesen, die auf den Namen Mondoshawan hören, per Raumschiff angedüst, um die Quader vorerst vor den Menschen in Sicherheit zu bringen. Zur nächsten Spaltenöffnung, so versichern sie, werden sie das Zeug zurückbringen.
Knapp 350 Jahre später, wir schreiben das Jahr 2259, taucht auf den Radarschirmen der Weltraumüberwachungsbehörde ein ziemlich großes UFO auf: ein Antimaterieball, der direkt auf die Erde zuhält. Der Präsident der Weltregierung ist verunsichert, aber der Priester Vitus Cornelius, der sich mit alten Schriften auskennt, weiß, daß mal wieder 5000 Jahre vorbei sind. Und vertraut auf die Mondoshawan, die jene magischen Quader schon just in time zurückbringen werden. Das wollen sie auch, aber leider werden sie abgeschossen: von den Mangalores, mißmutigen Monstern, die für den bösen Zorg arbeiten, der auf der Erde im Auftrag des Bösen schon mal die Vernichtung vorbereitet. Je nun, alles, was von den netten Mondoshawan übrig ist, ist eine Hand in einem Handschuh. Aber im Jahre 2259 ist man mit lebensrettenden Maßnahmen weiter als heute, und so wird aus der Hand das ganze Wesen... nunja: rekonstruiert. Und siehe da - unter den archaischen Rüstungen, die wir in der Vorgeschichte gesehen haben, steckt ein ziemlich menschenähnliches Wesen, weiblich aussehend und ausgesprochen hübsch sogar, trotz seiner übermenschlichen Fähigkeiten allerdings etwas verwirrt, weshalb es vorzieht, die Flucht zu ergreifen. Durch die Wand. Und dann steht das (übrigens sehr leicht gekleidete) Wesen auf dem Sims im schätzungsweise 2000. Stockwerk eines noch viel größerten Hauses. Es wird gejagt, verliert den Halt und - hui - saust hinab in die Tiefe. Zum Glück kommt gerade Korben Dallas vorbei, ein ehemaliger Elite-Geheimagent, der die Nase voll hat und sich jetzt mit Taxijobs durchs Leben schlägt, in seinem Luft-Taxi, stoppt ihren Fall und nach glatter Durchschlagung des Taxi-Dachs wird das Wesen sein Fahrgast. "She just bumped in", sagt er später, und es ist völlig klar, daß die beiden ein Paar werden, aber erst müssen sie die Welt retten, was dann auch in ausgesprochen zügigem Tempo geschieht.
Man sieht: Mit Logik und anderen Nebensächlichkeiten hat sich Luc Besson nicht aufgehalten. Sein Fifth Element ist ein fantastischer Hochgeschwindigkeits-Comic-Clip, in dem unter den ungünstigsten Bedingungen die größtmögliche Bedrohung abgewendet wird. Ein bißchen wie eine Mischung aus Roland Emmerichs Stargate und Independence Day, aber ungleich radikaler, was den Spaß- und Spielfaktor angeht, und dabei mindestens ebenso unterhaltsam. Ach was: viel besser!
Es wimmelt von visuellen Kalauern, weil die Welt des Jahres 2359 unserer Welt doch ziemlich ähnelt, es ist nur so, daß heute erkennbaren Tendenzen - wie etwa der Trend zur Filterzigarette - in der Zukunft deutlich ausgeprägter sind. Da bestehen die Zigaretten nämlich zu 80% aus Filter. Aber die Probleme sind die gleichen: Es gibt immer noch zu viel Verkehr, wenn auch räderlos und in vielen Etagen, die Ampelanlagen reichen bis in den Weltraum, und wenn's drauf ankommt, fehlen einem immer die Streichhölzer.
Und mittendrin Bruce Willis als widerwilliger Weltenretter, zwangsverpflichtet vom Geheimdienst und so mancher anderer Institution, der den Job aber nur macht, weil er den netten Alien so anziehend findet. Der wird von Milla Jovovich als Mischung aus Pippi Langstrumpf und Nikita gespielt: ganz toll. Den Bösewicht gibt der bewährte Gary Oldman, und Ian Holm spielt - sehr onkelig - den Priester Cornelius. Alle stecken in Kostümen von Gaultier, was sehr gut paßt, und fürs Produktionsdesign waren u.a. Jean Giraud (Moebius) und Jean Claude Mézières zuständig.
Keine Ahnung, warum hier etwas funktioniert, was in US-Produktionen so oft schiefgeht: Die Ausstattung und die Spezialeffekte sind makellos, comichaft und allzeit bigger than life, man freut sich und kriegt den Mund vor lauter Staunen kaum zu, aber trotzdem interessieren die Figuren und ihre Geschichten viel mehr. Vielleicht liegt es daran, daß hier keine Allerweltsbotschaft - Zusammen schaffen wir's - in einen Riesenfilm gepackt wurde, sondern eine recht subtile Geschichte in einen Comic-Rahmen gebettet und als mutwilliges Krawall-Movie in die Welt geschossen wird. Zum Beispiel eine kleine Szene, kurz vorm Schluß: Der hübsche Alien, von dem die Rettung der Welt abhängt, lernt die Geschichte der Menschheit, Sprachen, Sitten und Gebräuche. Und will danach die Welt gar nicht mehr retten. Weil sich die Menschen von den Antimaterie-Finsterlingen gar nicht so sehr unterscheiden. Aber ein bißchen doch, sagt Bruce Willis, und dann gibt's einen langen Kuß.
So ist das, gleichzeitig skeptisch und dabei trotzdem so hemmungslos romantisch, wie wir es in Filmen, die nach 1942 spielen, selten gesehen haben.

Jens Steinbrenner