ELEPHANT KING

Dauerparty für reiche Schnösel

US-Touristen in Thailand benehmen sich kräftig daneben.

Große Brüder sind zum Bewundern da. Zumindest solange, bis bei den jüngeren Geschwistern die Ernüchterung einsetzt und die Erkenntnis, dass der große Bruder auch nur aus dem gleichen fehlbaren genetischen Material geschnitzt ist wie man selbst. Seth Grossmans Elephant King erzählt von einem solchen Prozess der Ernüchterung vor der exotischen Kulisse eines thailändischen Touristenparadieses.

Oliver ist einer dieser bleichgesichtigen Adoleszenten, die nicht los kommen von ihrem PC, nicht ausbrechen aus ihrem Zimmer, dem Elternhaus und der miefigen Heimatstadt. Sein älterer Bruder Jake hingegen hat die universitäre Karriere als Anthropologe hingeschmissen und ist abgehauen nach Thailand, wo er im touristischen Dauerpartyzustand sein Leben in vollen Zügen genießt. Dass zuhause die Eltern vor Gericht für seine veruntreuten Projektgelder gerade stehen müssen, kümmert ihn wenig. Als Jake seinen depressiven Bruder nach Thailand einlädt, hofft die Mutter, dass Oliver den verlorenen Sohn zur Vernunft bringt.

Natürlich verläuft die Entwicklung genau anders herum. Der Ältere bringt den Jüngeren fast um den Verstand. Mit großen Augen stolziert der schüchterne Oliver durch das fremde Paradies. Die Einladung auf einen Bordellbesuch schlägt er aus, aber in einer Touristendiskothek gerät er an die schöne Barkeeperin Lek, die ihm schon bald den Kopf verdreht.

Ihre Warnungen, sein Herz nicht an sie zu verschenken, schlägt der jugendliche Liebhaber in den Wind. Er will nicht wahrhaben, dass sich in Thailand die Beziehungen zwischen männlichen Touristen und einheimischen Frauen vornehmlich über den materiellen Bringwert definieren. Alles scheint hier käuflich zu sein. Im Suff erwerben die Brüder sogar einen Elefanten, der fortan im Hof des Billighotels ein trostloses Dasein fristet. Regisseur Seth Grossman will darin eine Metapher für die amerikanische Außenpolitik sehen, die sich auch immer etwas aneignet und dann nichts damit anzufangen weiß. Nun ja. Elephant King erzählt zwar von den kulturellen Akklimatisierungsschwierigkeiten amerikanischer Dauertouristen im exotischen Ausland und versucht dabei auch Einblicke in die Sicht der Einheimischen zu erheischen. Aber letztlich bleibt die Perspektive doch zu sehr auf den Bruderzwist fixiert, als dass hier ein halbwegs relevanter interkultureller Diskurs zustande kommen könnte. Sehr viel interessanter wäre die Geschichte aus der Perspektive der gekauften thailändischen Geliebten Lek gewesen, die Florence Faivre jenseits der Femme-Fatale-Klischees zum Leuchten bringt. Ihre psychologischen und moralischen Gratwanderungen wären ein sehr viel interessanterer Erzählfokus gewesen, als die partysüchtige Identifikationssuche zweier verzogener amerikanischer Söhne, die sich in der Fremde flüchten, um sich dem Erwachsenwerden zu entziehen.

Martin Schwickert

USA 2007 R&B: Seth Grossman K: Diego Quemada-Diez D: Tate Ellington, Jonno Roberts, Florence Faivre