ELLING - NICHT OHNE MEINE MUTTER


Phantomschmerz

Die ziemlich blöde Fortsetzung einer charmanten Komödie

Nicht nur amerikanische Giganten wie Matrix oder Herr der Ringe bauen auf das Gesetz der Serie.
Auch die kleine, norwegische Filmindustrie übt sich im Franchising und versucht nun mit einer Fortsetzung an den Erfolg von Petter Naess Elling anzuknüpfen. Genau genommen handelt es sich bei Elling - Nicht ohne meine Mutter um ein Prequel, denn der Film von Eva Isaksen erzählt die Vorgeschichte des psychiatrieerfahrenen Sonderlings.
Auch wenn der erste Teil mit Erfolg für die Akzeptanz seiner verschrobenen Protagonisten geworben hat, so drängte sich doch immer wieder die Frage auf, wie Elling zum Gefangenen seines eigenen neurotischen Paralleluniversums wurde. Erklärungen für den Geisteszustand des Patienten liefert allerdings auch dieses Prequel nicht.
Dahinter steckt sicherlich eine bewusste Entscheidung, weil mit einfachen psychologischen Erklärungsmustern das Anliegen des ersten Films und der Romanvorlage von Ingvar Ambjörnsen zerstört würden.
Denn in Elling ging es ja gerade darum, das Publikum in das Verrücktsein der Figuren hineinzuführen, humorvoll die Barrieren abzubauen und die Eigengesetzlichkeit dieser Welt zu akzeptieren. Nur, wenn man sich dem psychoanalytischen Forschungsdrang verweigert, was erzählt man dann in einer Vorgeschichte?
Auf diese Frage scheint Elling - nicht ohne meine Mutter einen ganzen Film lang eine Antwort zu suchen. Wir sehen diesen Elling, ein Muttersöhnchen, der mit Mitte Dreißig immer noch in seinem Kinderzimmer wohnt.
Die Mutter (Grete Nordra) ist kein Hausdrache, sondern eine liebenswürdige alte Dame, die wirklich nur das Beste für ihrem Sohn will. Der geht jedoch nicht alleine vor die Tür und wird, als die Mutter zwei Tickets nach Mallorca auf den Tisch legt, von heftigen Panikattacken heimgesucht. Schließlich begleitet er sie ins sonnige Rentnerparadies und sträubt sich mit jeder Faser seines Wesens gegen die ungewohnte Umgebung.
Urlaubsepisoden werden ziellos aneinander gereiht. Aus der mangelnden Anpassungsfähigkeit des Helden wird mäßig komisches Kapital geschlagen. So muss Elling umringt von barbusigen Strandnixen in die kühlen Mittelmeerfluten flüchten, um gegen seine Erektion anzukämpfen.
Der Umkipppunkt von der Komödie zur Klamotte wird mehrfach überschritten. Nur dem nuancierten Spiel von Per Christian Ellefsen ist es zu verdanken, dass die Figur nicht als Knallcharge verhökert wird.
Neben der schleppenden Handlungsführung wird dieser zweite Elling-Film offensichtlich auch von Phantomschmerzen geplagt.
Der erste Teil war als Buddy-Movie konzipiert und lebte von der genussvoll ausgespielten Gegensätzlichkeit der beiden Charaktere. Ohne das schlichte Gemüt seines Klapsenkumpels Kjell Bjarne gerät die Figur des nervösen Elling - und mit ihm der gesamte Film - in eine emotionale Schieflage, die von der eher farblosen Mutterfigur nicht ausgeglichen werden kann.
Im nächsten Jahr kommt der dritte und letzte Teil der Elling-Trilogie - diesmal wieder unter der Regie von Petter Naess - in die Kinos.
Und damit nicht genug: Kevin Spacey hat die Rechte an dem Stoff erworben, und nach einem Hollywood-Remake wird dann endlich der letzte Tropfen Originalität aus dem willigen Wirtskörper herausgesaugt sein.

Martin Schwickert
Mors Elling. Nor 2003 R: Eva Isaksen. B: Axel Hellstenius (nach dem Roman "Ententanz" von Ingvar Ambjörnson) K: Rolv Haan D: Per Christian Ellefsen, Grete Nordra, Helge Reiss