EMMA


Gepflegt & gemütlich

Blitzblanker Kostümfilm nach Jane Austen

Eine interessante Welt, die Jane Austen in ihren Romanen beschreibt: beschaulich, beherrscht von Fragen des Standes und ungetrübt von irgendwelchen Broterwerben. Und wenn das Geld mal etwas knapper ist, muß man halt in ein etwas kleineres Haus umziehen und sich mit weniger Dienstboten zufriedengeben. Arbeiten muß jedenfalls niemand, außer den Offizieren, die vereinzelt auftauchen. Und so kreisen die Themen immer um Liebe, Klatsch, wer mit wem und warum letzten Monat in Bath gesehen wurde, wen man zur nächsten Party einladen soll und ob das nicht kürzlich ein reizendes Picknick gewesen sei.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Jane Austen war zu ihrer Zeit eine ausgesprochen fortschrittliche Schriftstellerin, und daß die Milieus, in denen ihre Geschichten spielen, einander so ähneln, liegt daran, daß es eigentlich immer um das Milieu geht, in dem Jane Austen auch in Wirklichkeit lebte. Es ist also echt, selbst erfahren und sicher auch erlitten.
Jetzt also Emma. "Stellt Euch jemanden vor, der noch nie auf einem Pferd gesessen hat und trotzdem den anderen das Reiten beibringen will - dann habt Ihr Emma", sagt Regisseur und Drehbuchautor Douglas McGrath. So ist es, nur daß es nicht ums Reiten sondern um die Liebe geht. Emma denkt, sie versteht etwas davon, und weil sie selbst vorgibt, nicht interessiert zu sein, konzentriert sie ihre romantischen Bemühungen auf Männer und Frauen in ihrer Umgebung. Als erstes waren Miss Taylor und Mr. Weston dran, die zu Beginn des Filmes heiraten, was Emma übrigens nicht sehr glücklich macht, weil Miss Taylor bis zur Eheschließung ihre Gouvernante und Vertraute war. Und wahrscheinlich hat Emma die Verbindung auch gar nicht beeinflußt, aber ein Verlust läßt sich leichter ertragen, wenn man ihn aktiv gestaltet hat.
Emma beginnt also, Einfluß zu nehmen, und ihr erstes Opfer ist die junge und etwas dämliche Harriet Smith, die in den Bauern Martin verliebt ist, der sie auch liebt, aber Emma denkt, daß der Pfarrer Mr. Elton die bessere Partie für Harriet wäre. Doch der hat ein Auge auf Emma geworfen, was jeder im Kino merkt, nur Emma nicht. Und als er sich ihr dann erklärt, ist sie sehr erstaunt und wenig erfreut. Sie liebt nämlich auch jemanden, was sie aber noch gar nicht weiß, und bis sie ihn kriegt, gibt es noch etliche amüsante Verwirrungen, bei denen die Zuschauer der Heldin immer ein bißchen voraus sind. Und das ist hübsch, weil Emma nämlich sehr von sich eingenommen, aber trotzdem sehr elegant und liebenswürdig ist. Wir Zuschauer mögen sie und folgen ihren Kuppelei-Aktivitäten kopfschüttelnd und in dem Bewußtsein, daß bestimmt alles gut wird.
Von den jüngeren Jane-Austen-Verfilmungen, die mit dem großartigen Sense and Sensibility begonnen hat, ist Emma formal die unauffälligste. Er ist zwar gut besetzt, die Ausstattung ist erlesen, aber alles scheint ein bißchen zu glatt, zu flach. Kein Stäubchen auf den Möbeln, keine Falte in den Rüschen, kein Fleckchen auf dem Tafelsilber. Alles wie neu. Dazu klischeehafte Bilder, Dämchen am Stickrahmen, Wisper-Dialoge und besonders am Anfang ein schwer zu ertragendes permanentes Gegrinse aller Beteiligter. Kurz gesagt: Emma sieht aus wie eine sehr ehrgeizige Fernsehproduktion, was sie nicht ist, und was auch gar nicht schlimm wäre. Weil der Stoff eben hochgradig bezaubernd ist. Noch gilt eben: wo Jane Austen drauf steht, ist auch Jane Austen drin.

Jens Steinbrenner