»ERLEUCHTUNG GARANTIERT«

Das Zen-Witz- Projekt

Sex, Lebenslügen und HDTV: Doris Dörrie geht ins Kloster

Am Ende leuchtet ein kleines Kuppelzelt in der Nacht, ein Basislager am Rande der Zivilisation, ein faltbares Kloster wie eine aufgehende Sonne über einem Tokyoter Tennisplatz. Auf dem schlägt ein Japaner, im englischen Club-Pullunder, ausdauernd Bälle zu einem unsichtbaren Gegenüber - bis der Nachspann durch ist und der letzte sich fragt: war das jetzt ein Blow Up -Halbzitat?

Am Anfang quengelt sich eine deutsche Familie durch den dunklen Winter. Die Kinder schwenken Laternen, der Vater friert, die Mutter hält alle zusammen - und das lichtschwache Bild hat so deutliche Streifen und Pixel, dass gleich klar ist: der Film ist ein Video. Und die dokumentarische Geste ist - zusammen mit ihren optischen und dramaturgischen Brechungen - sorgfältig eingeübt. Komisch ist es trotzdem.

Das ist das Wichtigste: man lacht in dieser ernsten Komödie. Über die Darsteller, die ihre echten Namen im Stück weitertragen (Uwe Ochsenknecht brachte auch seine Kinder mit ins Experiment) - und mit den Figuren, die ihre wirklichen Probleme im Film abarbeiten: weil Gustav (-Peter Wöhler) wirklich Schwierigkeiten mit der Zen-Disziplin hatte, wurde das Buch beim Dreh verändert. Und manchmal lacht man auch ohne zu wissen, ob die brunzdummen Sprüche ("du mußt auch mal loslassen", "diese Arbeitsplatte in beleuchteter Granit-Optik ist für den flexiblen Menschen von heute") Satire, Rollenprosa oder ein Zen-Koan sind. Oder bloß albern. Anfangs nämlich ist Uwe ganz der Ochsenknecht, den Regisseurin Doris Dörrie in Männer zum Typ machte. Ein egomanes Ekel. Er verkauft moderne Kücheneinrichtungen, er behandelt seine Frau (Petra Zieser) schlecht, und wird zum heulenden Elend, als sie ihn verläßt. Nur Bruder Gustav kann noch helfen. Der ist Feng Shui Berater ("ihr Bett hat einen Energieschatten") und sonst eher lebensuntüchtig. Gustav pflegt seinen Mini-Zen-Sandgarten, Uwe mißbraucht ihn als Aschenbecher (ein Brüller beim eingeweihten Publikum), aber die gute Seele nimmt das Wrack trotzdem mit auf einen Kloster-Urlaub.

Bei japanischen Zen-Möchen wollte Gustav eigentlich nur sich selbst finden - aber auf dem Weg verlieren die beiden erstmal komplett die Orientierung. Geld weg, Paß weg, Hotelnamen vergessen ... eine Abenteuer der Ziellosigkeit im unverständlichen Dschungel asiatischer Zeichen. Sushi-Mundraub, Nebenjobs als Oktoberfest-Fake-Kellner, kalkulierte Bilder von Handys an jedem japanischen Ohr, sichtlich zufällige Schnappschüsse aus dem Video-Tagebuch der heiter sich Verlierenden ... Die wilde Praxis geht der strengen Theorie voraus. Denn schließlich kommen die beiden doch noch im Kloster an. Und lernen nun im alltäglichen Einerlei vom Meditieren, Putzen, Regelnbefolgen die Grundbegriffe des Zen. Scheinbar lernen sie auch Japanisch, aber zu genau darf man die Handlungslogik nicht befragen. Der laxe Uwe fügt sich den simplen Notwendigkeiten, der zur Erleuchtung entschlossene Gustav quält sich mit kalten Duschen ... und immer, wenn man man meint, die Inszenierungsabsicht ganz durchschaut zu haben, macht die Dörrie einen Stilfehler. Aus Absicht. Mal wird platt illustiert, mal frech was ausgelassen, auf Pointe hin gedreht, mal unvermittelt bloß herumgeblödelt ...

Das hat mit Doris' eigenem Leben zu tun (Zen half ihr über einen toten Mann hinweg), das liegt an den Produktionsbedingungen, und das ergibt einen sehr westlichen, sehr ernsthaften und sehr lustigen Versuch, die Erleuchtung zwar nicht zu garantiern, aber doch anzudeuten. Mit technischen Mitteln statt Tempel-Gongs.

Nach ihrer Klosterzeit sitzen Uwe und Gustav, noch immer ohne Papiere und Geld, im geklauten Tramper-Zelt und radebrechen, etwas kichernd, eine Sutra. Der Nachspann läuft ... und schiebt sich, elektronisch getrixt, über den Rest des Bildes, aber unter dem glimmenden Ort der Hoffnung durch. Ein kleiner Scherz, aber ein Anfang.

WING