EUREKA

Wunden des Terrors

Wie man langsam in die Welt zurückfindet

Wenn heute von den Folgen des Terrors die Rede ist, wird meistens in militärischen und globalpolitischen Kategorien gedacht. Dabei sind die eigentlichen Folgen des Terrors immer persönlicher Natur. Der japanische Regisseur Aoyana Shinji rückt in Eureka die seelischen Beschädigungen willkürlicher Gewaltakte in den Vordergrund.
Ein Mann entführt einen Linienbus und richtet auf dem Parkplatz ein Blutbad an. Nur sieben Minuten braucht der Film zur Skizzierung des Schreckens. Ein paar Schüsse. Sechs Menschen sind tot. Fast lakonisch wirken die knappen Einstellungen. Gewalt ist eine schmerzhaft banale Angelegenheit.
Die Überlebenden allerdings sind vor Angst erstarrt und werden es noch lange bleiben. Zwei Jahre geht der Busfahrer Makoto auf Reisen, um alles zu vergessen. Als er zurückkehrt, passt er in sein altes Leben nicht mehr hinein. Die traumatische Erfahrung hat ihn für immer von seinen Verwandten und Freunden getrennt. Eines Tages steht er vor dem Haus des jungen Geschwisterpaares, das seit der Entführung verstummt ist und sich vollkommen von der Außenwelt abgeschottet hat. Makoto lassen sie hinein in ihr verwahrlostes Reich, gemeinsam bilden sie eine WG der Überlebenden. Langsam tastet sich Makoto vor in die Normalität, aber die Dämonen der Vergangenheit lassen ihn und die Kinder nicht los. Wer keinen Platz im Leben hat, muss in Bewegung bleiben. Makoto kauft einen alten Bus und überzeugt die Geschwister, mit ihm auf die Reise zu gehen. Die beginnt dort, wo alles anfing: in einem Bus, auf einem Parkplatz, in der hellen Mittagssonne.
Die Wunden, die der Terror in der Psyche seiner Opfer hinterlässt, verheilen nur langsam. Deshalb nimmt sich Eureka alle Zeit der Welt - ganze dreieinhalb Stunden, von denen man keine Minute missen möchte. In der Ruhe liegt die Kraft der Erzählung. Landschaften und Lichtverhältnisse werden virtuos in Beziehung zu den widerstrebenden Gefühlen der Figuren gesetzt. Alles Dramatische wird in wenigen Einstellungen abgehandelt, um sich dem Nachhall der Ereignisse in der Seele der Betroffenen um so genauer zu widmen. Die psychologische Präzision, mit der sich diese zutiefst menschliche Haltung filmisch manifestiert, machen Eureka zu einem berührenden Kinoerlebnis und einem bescheidenen Meisterwerk.

Martin Schwickert

Japan 2000 R&B: Aoyama Shinji K: Masaki Tamra D: Koji Yakusho, Aoi Miyazaki, Masaru Miyazaki