EVIDENCE

Camp ist out

Mit der Wackelkamera zum Schlachtfest

Howie Askins wollte den definitiven Found Footage Film machen, den subjektiven Horror-Film, nach dem es keinen mehr geben kann. Das Vorhaben ist löblich, weil die formale Idee, eine angeblich nicht-inszenierte Geschichte zu erzählen, vom Blair Witch Project bis Apollo 18 im C-Bereich, und von Cloverfield bis Chronicle im A-Bereich eigentlich ausgereizt ist. Am unteren Ende ruinierte jüngst Chernobyl Diaries das Genre, weil man einerseits nichts sah und andererseits die Kamera doch blöd objektiv war.

Bei Evidence nimmt das Team die Voraussetzungen ernst: Es gibt nur eine Kamera und die trägt immer eine der vier Hauptpersonen. Die gehen davor auf einen Camping-Urlaub, in dessen Verlauf der Kamerabesitzer eine Doku über seinen besten Freund drehen will.

Das führt erst mal zu jugendlichem Überschwang im Busch, ein paar lockeren Blicken in die Blusen der mitgereisten Freundinnen, und länglichem Lagerkoller beim Zeltaufbau. Sogar ein Streit entsteht, weil der teilnehmende Beobachter bald allen mit seiner Aufzeichnungsneugier auf den Zeiger geht. Aber kurz bevor das Publikum sich davon an die eigene Nase gefasst fühlen kann, entdecken die vier (und wir am Bildrand) einen seltsame Bigfoot-ähnliche Kreatur im Wald. Huch. Wer war das? Und was rumpelt in der nächsten Nacht im Gebüsch? Sind da bloß Städter panisch, weil sie den Klang der Natur nicht vertragen? Hat der Dokumentarist Effekte vorbereitet, um seinen Film aufregender zu machen?

Das wäre immerhin eine Idee. Und etwa zur Hälfte des ziemlich kurzen Films sind die Nerven auf der Leinwand und davor ganz ordentlich gespannt. Aber dann folgt ein 20 Minuten langer Showdown bis weit in den überraschend ambitiösen Nachspann hinein, der von Hinterwäldlern bis Regierungsverschwörung, von glühäugigen Monstern bis Delta Force und vor allem kreischenden, vor der Kamera fliehenden Mädchen alles an- und auseinanderreißt, was zu einer zünftigen Lagerfeuergeschichte gehört. Was man aber alles auch schon mal irgendwo gesehen hat. Mit mehr Blut, aber vor allem mit mehr Sinn.

Wing

USA 2011. R: Howie Askins B + K: Ryan McCoy D: Howie Askins, Ryan McCoy, Brett Rosenberg, Abigail Richie, Ashley Bracken, Zack Fahey, Blaine Gray, Keith Lewis, Risdon Roberts