EXPRESS, EXPRESS

Liebe im Zug

In Slowenien macht Bahnfahren noch Spaß

Im Zeitalter von ICE und Großraumwaggons hat das Bahnfahren hierzulande rapide an Romantik verloren. Das kleine Land Slowenien hat mit seinem bescheidenen Schienennetz und verwunschenen Provinzbahnhöfen aus K.u.K.-Zeiten da schon mehr zu bieten. Ein junger Kerl (Gregor Bakovic) näht sich nach dem Tod seines Vaters aus der Trauerfahne eine Hose, streicht den Namen auf dem Türschild aus und macht sich pfeifend auf zum Kleinstadtbahnhof. Vorwärts soll es gehen, in möglichst kleinen Schritten, und der missgelaunte Schaffner muss nach jeder Station neu abkassieren. Im Abteil hat sich auch eine schweigsame junge Frau (Barbara Cerar) häuslich eingerichtet. In einem Nachtschränkchen führt sie alles Lebensnotwendige mit sich: Kristallaschenbecher, Nähgarn, Porzellantässchen und Wäscheleine. Immer wieder verschwindet sie zur Zugtoilette, um mit tropfnassen Socken und Unterhosen zurückzukehren. Wie er hat auch sie ein ruhiges, ernstes Gesicht, das nur zu besonderen Anlässen ein Lächeln verschenkt. Ganz ohne Worte kommt ihre Liebesgeschichte in Gang, verläuft sich zwischen den Gleisen und findet auf nächtlichen Bahnhöfen wieder zusammen. Dazwischen geht die Kamera auf Reisen in andere Abteilwelten, die mit skurrilen Menschen bevölkert sind: streng dreinblickende Vogelzüchter, melancholische Ballonverkäufer, mysteriöse Schwarzfahrer und fussballsüchtiges Bahnpersonal.
Mit wenig Geld und viel Landschaft hat der junge slowenische Regisseur Igor Sterk sein Railroad-Movie Express, Express realisiert. Erzählt wird ohne große Worte, durch kleine Gesten und Details. Dabei entwickelt Sterk einen ausgeprägten Sinn für Kuriositäten. Sein Humor ist den sanft ironischen Traditionen des tschechischen Kinos von Jiri Menzel oder Milos Forman verpflichtet- Komik zum Schmunzeln und nicht zum Schenkelklopfen. 1997 gedreht strahlt Express, Express eine gewisse postsozialistische Gemütlichkeit aus, die einen aus dem hektischen Kinoalltag der Quassel- und High-Tech-Filme auf das angenehmste herausreist. Die slowenische Hügellandschaft ist in das goldene Licht des Spätsommers getaucht, und die naive Leichtigkeit, mit der Regieneuling Igor Sterk seine butterzarte Liebesgeschichte erzählt, ist einfach entwaffnend.

Martin Schwickert

Express, Express SLOW 1997 R: Igor Sterk B: Matjaz Pograjc, Igor Sterk K: Valentin Perko. D: Gregor Bakovic, Barbara Cerar