IM KÖRPER DES FEINDES


Reise ins andere Ich

John Woo ist zurück, laut und mächtig

Es beginnt auf einem Kinderkarussell. Ein kleiner Junge stirbt an einer Kugel, die für seinen Vater bestimmt war. Abgeschossen wurde sie von Castor Troy (Nicolas Cage), einem käuflichen Terroristen. Gegolten hat sie Sean Archer (John Travolta), FBI Agent und somit berufsbedingter Gegner von Troy. Mit dem Tod von Archers Sohn wird die Sache persönlich. Der Anfang einer gnadenlos verbissenen Feindschaft. Zwei Männer, die sich bis auf`s Blut bekriegen. Das ist John Woos Thema, klar. Ein roter Faden, der sich durch seine guten wie schlechten Filme zieht.
Insbesondere seine ersten beiden Werke im gelobten Movie-Land Amerika waren sowas von daneben, daß es uns schon die Sprache verschlug. Warum Woo in USA bis jetzt so kläglich scheiterte, wäre ein anderes Thema. Beim dritten Mal scheint John Woo jedenfalls nichts mehr wehgetan zu haben. Denn Im Körper meines Feindes ist der beste Film, den er seit Hard Boiled gemacht hat. Den hat er noch in Hongkong gedreht, und zwar vor fünf Jahren.
Kugeln, die direkt aus der Waffenmündung auf die Kamera zufliegen und vor dem Auge des Zuschauer zu explodieren scheinen - ein filmisches Zitat, wohl wahr. Neulich noch wiederentdeckt bei Peckinpahs Billy the Kid. Peckinpah als eine von John Woos Inspirationquellen zu nennen, wäre sicher nicht falsch. Woo benutzt Versatzstücke des amerikanischen Action-Kinos und verpasst ihnen hauptsächlich eine neue Dynamik. So auch in Im Körper des Feindes. Den ziemlich massiven Shoot Outs vermag das Auge kaum noch zu folgen. Die Kameraeinstellungen wirken sehr hektisch. Plötzlich ist da Slow Motion, und nur für Sekunden wird das Ausmaß der Zerstörung deutlich. Dann wütet wieder das Chaos. Zwei Männer, die um sich herum alles in Schutt und Asche legen.
Gesichter-Tausch unter Zuhilfenahme von moderner computergesteuerter plastischer Chirugie: Ich bin Du und Du bist ich. Und wer von uns ist jetzt eigentlich der Böse? Etwas zuviel schräger Fiction für einen guten Action Film. Sollte man meinen. Anderseits, was gibt es schlimmeres als mit dem Gesicht seines übelsten Feindes rumzulaufen? Haß ist der Motor dieser Geschichte und seiner Figuren. John Travolta ist Nicolas Cage. Sean ist Castor. Ich sitze für Dich im Knast und Du vögelst meine Frau. Mal ehrlich, keine schöne Vorstellung. In frühen Werken war da noch soetwas wie Respekt zwischen den Gegnern. In Woos neuem Film gibt es zwischen den Männern keinen geheimen Ehrenkodex mehr. Sauber kämpfen heißt trotzdem sterben. Sean und Castor ist jedes Mittel recht um einander fertig zu machen. Keine Gnade, auch wenn's mein eigenes Gesicht ist, das ich zerschieße.
Ist Nicolas Cage eigentlich schon Supermann? Und trägt Travolta einen schwarzen Anzug? Gut gewählt ist halb gewonnen. Woo hat gewonnen. Auch wenn mann sich so seine Gedanken zu dem am Action-Firmament hell erstrahlenden Nicolas Cage machen könnte. Bin gespannt, wann der mal wieder einen ruhigeren Film macht. Momentan liebt er den Krawall. Las Vegas hat sich vom Crash der ConAir noch nicht erholt, da ist er schon in LA zugange. Als der böse Castor, der zudem noch einen Bruder, hat der Pollux heißt. Pollux kann zwar prima Bomben basteln, ist aber trotzdem zu blöd um sich die Schuhe zuzubinden. Eigentlich würde Castor Pollux am liebsten erschießen, aber er ist halt sein Bruder. Also bindet er ihm die Schuhe zu und killt lieber andere Leute. Schöne Rolle für Cage. Aber nur für die ersten zehn Minuten.
Travolta ist der verbissene und von Hass zerfressene FBI Mann, immer finster drauf, immer schlechtgelaunt, seit drei Monaten keinen Sex mehr mit der Ehefrau gehabt. Die Erinnerung an seinen sterbenden Sohn treibt ihn in den Wahnsinn. Travolta ist der Gute. Für die ersten zehn Minuten. Dann tauschen Castor und Sean die Gesichter. In Wirklichkeit tauschen natürlich nur Cage und Travolta die Rollen. Ein Special-Effect, der keiner ist. Der aber alles ins Lot bringt. Travolta darf eine ultraböse Version von Vincent Vega sein, und Cage läßt den Dackelblick kreisen und die Muskeln spielen. Das funktioniert, weil beide eigentlich gar nichts anderes spielen müssen als sonst auch. Kapiert? Cage ist FBI Agent und Travolta ist der Killer, ist doch ganz einfach.
Wie schafft es John Woo, aus wenig Plot viel Film zu machen? Die schon angesprochene Dynamik fegt einen fast über jede noch so holprige Unzulänglichkeit des Drehbuches hinweg. Dazu kommt eine Bildsprache, die in ihren besten Momenten immer noch alles in den Schatten stellt, was man normalerweise in Action Filmen zu sehen bekommt. Außerdem ist Woo in seinem Element. Schwere Pistolen, teils vergoldet, hämmerndes Stakkato aus allen Rohren. Der finale Showdown beginnt in einer Kirche. Weiße Tauben steigen auf. Er zitiert sich selbst, ich weiß. Sei's drum John Woo, ist zürück, ziemlich laut und ziemlich mächtig. Nur Chow Yun Fat, der hat uns irgendwie gefehlt.

Mirko Puzic