EINE FATALE ENTSCHEIDUNG

Triste Cops

Polizeialltag ist keineswegs glamourös

Als der junge Polizeischulabsolvent Antoine (Jalil Lespert) bei der Pariser Kripo anfängt, fragt ihn seine Chefin, warum er Polizist geworden sei. "Wegen der Filme", gesteht der Nachwuchskriminalist aus der Normandie.
Einen Film wie Fatale Entscheidung kann er damit nicht gemeint haben. Denn Regisseur Xavier Beauvois versucht in seinem realistischen Polizeithriller, alle Kino-Cop-Klischees gezielt zu unterlaufen.
Antoines erster Fall ist der Mord an einem polnischen Obdachlosen. Die Ermittlungen an der Seite der erfahrenen Kriminalistin Caroline Vaudieu (Nathalie Baye) führen in die Suppenküchen, Obdachlosenheime und zu den Treffpunkten der illegalen Einwanderer Osteuropas. Caroline nimmt den Polizeinovizen unter ihre Fittiche und steht mit diesem Fall selbst vor einem Neuanfang. Nach zweijähriger Entziehungskur hat sie sich zum Dienst zurückgemeldet und findet sich nur schwer wieder ein in den Polizeialltag, dessen Mischung aus Routine, sozialer Härte und plötzlich hereinbrechender Gewalt viele Kollegen zur Flasche greifen lässt.
Auch wenn Fatale Entscheidung ein deutliches Gefühl für die Unberechenbarkeit des vor sich hin mäandernden Polizeialltages gibt, fehlt es dem Film doch entschieden an erzählerischer Raffinesse. In der ersten Hälfte schleppt sich die Handlung dahin, verliert sich in den Figurencharakterisierungen und kann sich nicht zwischen Psychodrama, Alkoholikerinnenporträt, Sozialstudie und Kriminalgeschichte entscheiden.
Dass Beauvois alle Genreklischees umschiffen will, ist ehrenwert, führt jedoch zu einem etwas ermüdenden Schlingerkurs. Selbst der hervorragenden Nathalie Baye, die hier erfolgreich gegen ihr Image besetzt wurde, gelingt es nicht, den Film durch die zahlreichen dramaturgischen Flauteregionen zu tragen.

Martin Schwickert

Le Petit Lieutenant. F 2005 R: Xavier Beauvois B: Xavier Beauvois, Guillaume Bréaud, Jean-Eric Troubat D: Nathalie Baye, Jalil Lespert, Roschdy Zem