FEMME FATALE

Wie eine Flipperkugel

Brian de Palmas Film Noir für die Spaßgesellschaft

Längst nicht jeder Brian De Palma Film ist ein Meisterwerk, aber jede Eröffnungssequenz von ihm ist ein Ereignis für sich. In Femme Fatale gehören die ersten Worte Barbara Stanwyck in Billy Wilders Frau ohne Gewissen . "I'm rotten to the heart", sagt sie, nachdem sie auf ihren Komplizen und Liebhaber geschossen hat. Mit dem Schuss wird der Titel eingeblendet: Femme Fatale . Die Lichtverhältnisse ändern sich und auf dem Fernsehbildschirm spiegelt sich der spärlich bekleidete Körper von Rebecca Romijn-Stamos, die De Palma in der Rolle der Laure als Nachfolgerin von Barbara Stanwyck auserkoren hat. Die Hotelzimmertür fliegt auf. Ein Mann im schwarzen Abendanzug kommt herein. In knappen Zweiwortsätzen werden die Details des bevorstehenden Diamantenraubs besprochen. Der Mann, der noch nicht weiß, dass auch er schon bald eine Kugel in den Bauch bekommen wird, reißt die Vorhänge auf: Blick frei auf den roten Teppich der Filmfestspiele in Cannes im Jahr 2001.
An der Seite von Regisseur Regis Wargnier stolziert ein hüftschwingendes Model, über dessen nackten Oberkörper sich eine diamantbesetzte Goldschlange serpentinenförmig den Weg bahnt.
Geschmeidig wie eine Schlange bewegt sich auch die Kamera in dieser ersten halben Stunde, in der sie zeigt wie Laure die Diamantenfrau verführt und um ihren Schmuck erleichtert, wie sie sich mit der Beute auf und davon macht und den Komplizen angeschossen zurück lässt.
Die Kamera ist es, die in Femme Fatale die Geschichte erzählt, deren Blick mehr sagt als tausend Drehbuchworte, die die Dinge sieht, bevor die Figuren sie erkennen, der es mühelos gelingt, die kuriosesten Handlungssprünge zu überbrücken.
Davon gibt es mehr als genug. Auf der Flucht vor den geprellten Kollegen wird Laure von den Gästen einer Trauerfeier mit der verloren gegangenen Witwe verwechselt und nimmt deren Identität an. Zwischen den Blumengebinden findet sich ein Flugticket nach Amerika und auf dem Sitzplatz nebendran im Aeroplan gleich auch noch ein reicher Mann fürs Leben. Zumindest für die nächsten sieben Jahre. Dann kehrt Laure als Botschaftergattin nach Paris zurück und wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Und von Antonio Banderas, welcher den herzensguten Paparazzi spielt, der sich im Netz der Femme Fatale verfängt. Unberechenbar wie eine Flipperkugel schießt die Handlung über das Spielfeld. Das ist anfangs erfrischend, in der Mitte etwas ermüdend und am Schluss doch noch einmal überraschend.
Brian De Palma hat einen Film Noir für die Spaßgesellschaft gemacht. Recht ausgelassen plündert er sich durch die Genregeschichte, verneigt sich mal vor Hitchcock und noch öfter vor sich selbst.
Auf der Strecke bleibt die Melancholie, die einst das eigentliche Herz des Film Noir war. Ex-Model Rebecca Romijn-Stamos zeigt in ständig wechselnden Designer-Stückchen viel von ihrem Luxuskörper, aber wenig von den abgründigen Seelenlandschaften ihrer Figur. Vom Material-Girl zur Femme Fatale ist es ein weiter Weg. Auch Romijn-Stamos sagt irgendwann in einer dunklen Bar: I'm rotten to the heart." Dazu lächelt sie kokett. Das hätte Barbara Stanwyck nie getan.

Martin Schwickert

F/USA 2002 R&B:Brian De Palma K: Thierry Arbogast D: Rebecca Romijn-Stamos, Antonio Banderas, Peter Coyote