FICKENDE FISCHE

Blue Love

Liebe zwischen AIDS und Baggersee

Wollte man Almut Gettos Jugendliebesfilm Fickende Fische mit nur einem Wort beschreiben, dann wäre es: Blau. Blau ist der Himmel über dem Ruhrgebiet, die Wände von Jans Zimmer und das Wasser, in das er sich immer wieder hineinträumt, sind's auch.
Am liebsten würde Jan (Tino Mewes) für immer abtauchen wie ein Fisch. Nichts mehr hören von seiner Mutter und ihren dauernden Ratschlägen. Nichts mehr von den Ärzten und ihrem Helferzellengezähle. Die Pubertät durchzustehen, ist schon schwer genug. Mit HIV im Körper und einer Todesangst im Hinterkopf werden diese Qualen jedoch potenziert. Mit geschlossenen Augen wandelt Jan über eine vierspurige Straße. Die Autos bremsen. Nina hingegen rauscht mit ihren Inlinern voll in ihn rein. Schon nach der ersten Begegnung muss Jan notärztlich versorgt werden.
Auf ganz unterschiedliche Arten sind Jan, der verträumte Melancholiker, und Nina, die charmante Kratzbürste, mit sich selbst allein und gerade das verbindet sie. Die beiden verlieben sich redend und liegend auf einer Spielplatz-Drehscheibe, an einem Baggersee oder hoch über den Dächern von Dortmund ineinander, bis sich Jans Krankheit mit aller Gewalt zwischen sie drängt. AIDS ist nicht das Hauptthema. Die lauernde Krankheit ist hier eher ein dramaturgisches Mittel, mit dem die Konflikte der Pubertät und die Gefühlsamplituden der ersten Liebe verstärkt werden. Mit 15 ist alles im Umbruch. Der Körper, die Gefühle, das Denken.
Sich in diesem Zustand mit dem Faktum eines tödlichen Virus im eigenen Körper auseinandersetzen zu müssen, ist eine Aufgabe, an der man leicht zerbrechen kann. Daraus könnte man ein schmachtendes Melodram oder eine düster Sozialtragödie entwerfen. Aber Almut Getto hält die Gefühle ihrer Figuren in der Balance. Sie findet wunderschöne Bilder in satten Sommerfarben sowohl für die Lebenslust der Frischverliebten als auch für deren jugendliche Todessehnsüchte. Ihre beiden Hauptdarsteller sind eine Entdeckung fürs Kino. Tino Mewes scheint mit der Melancholie seiner Figur in vollkommenem Einklang und Sophie Rogall ist ein liebenswertes Energiebündel fernab aller postfeministischen Mädchenklischees.
Fickende Fische gehört in eine Reihe mit Crazy und Herz im Kopf , die sich mit Leib und Seele den emotionalen Verwirrungszuständen ihrer jungen Helden verschreiben, anstatt mit kassenträchtigen Teenie-Witzen weiter an der Verblödung der Weltjugend zu arbeiten.

Martin Schwickert

D 2002 R&B: Almut Getto K: Andreas Höfer D: Sophie Rogall, Tino Mewes, Annette Uhlen