DER FLIEGENDE HÄNDLER

Verknorpelte Bauern

Eric Guirados Landidylle ist unaufdringlich. Und gerade deshalb ein Genuss.

Ich kann ihn von hier aus sehen" sagt Antoine und bleibt im Gang stehen. Drinnen auf dem Krankenhausbett liegt nach einem schweren Herzinfarkt sein Vater, und Antoine möchte sich nicht hineinziehen lassen, nicht in dieses Zimmer, in diese Familie, in die Vergangenheit, die er mit dem Umzug in die große Stadt weit hinter sich gelassen hat.

Aber da ist die Mutter, die Hilfe in dem Krämerladen braucht, den die Familie auf dem Lande betreibt. Und da ist Claire, die schöne Nachbarin, die mitkommen möchte aufs Land, um für ihr Examen zu büffeln. Und so fährt Antoine schon bald mit dem Verkaufswagen in die entlegenen Dörfer der Region Rhône-Alpes.

Es sind vornehmlich alte Leute, die auf die Lieferungen des fliegenden Händlers angewiesen sind. Verknorpelte Bauern, die die Wurst mit Eiern bezahlen. Senile Alte, die vor allem bei den Preisansagen ganz schlecht hören. Oder die garstige Lucienne, die dem Sohn des Krämers bis heute nicht verziehen hat, dass er sie als Kind bei ihren Schäferstündchen beobachtet hat.

Missmutig steht Antoine hinter der Theke und schnauzt die schwerhörige Kundschaft an. Erst als Claire mit auf Tour geht, kommen die Geschäfte in Gang. Ganz langsam beginnt Antoine das Landleben zu genießen, auch wenn die familiären Konflikte zwischen ihm, dem Vater und dem älteren Bruder immer wieder aufbrechen.

Es sind keine großen, katharsisartigen Veränderungen, die Regisseur Eric Guirado seinem Protagonisten auflädt. Ihn interessieren eher die Nuancen der Veränderung, der leichte Wechsel der Perspektive, der dadurch entsteht, das man die eigene Position durch einen kleinen Schritt zur Seite verändert.

Mit narrativer Gelassenheit schlendert Der fliegende Händler durch die alpinen Regionen Südfrankreichs. Die familiären Konflikte werden nicht zum Drama ausgebaut, und auch die Liebesgeschichte wird sehr unaufdringlich skizziert.

Mit der gleichen Ruhe, mit der die Kamera durch die stimmungsvollen Sommerlandschaften streift, blickt sie auch in die Gesichter der Menschen. Und Hauptdarsteller Nicolas Cazalé ( Die große Reise ) hat ein Gesicht, das diesem forschenden Blick standhält, ohne seine Geheimnisse preiszugeben. Der fliegende Händler steht in einer Reihe von Filmen des französischen Kinos, das sich in den letzten Jahren wieder verstärkt in die ländliche Provinz zurückzieht.

Dennoch hat Guirados Sicht mit den sentimentalisierenden Blicken, die Filme wie Malen oder lieben oder Dialog mit meinem Gärtner auf das Landleben geworfen haben, wenig zu tun. Die Insider-Perspektive des Rückkehrers, der aus der erlebten Distanz das Leben in der Provinz neu bewertet, schützt den Film vor falschen Idyllisierungen.

Martin Schwickert

Le fils de l'épicier F 2007 R: Eric Guirado B: Eric Guirado, Florence Vignon K: Laurent Brunet D: Nicolas Cazalé, Clotilde Hesme, Daniel Duval