FLYING SCOTSMAN

Immer im Kreis

Über die Einsamkeit des Pedaltreters

Nach den Doping-Beichten von Erik Zabel & Co. kann der Radsport ein wenig Aufmunterung vertragen. Pünktlich zum Startschuss der Tour de France kommt mit Flying Scotsman ein Radsportfilm in die Kinos, der von dem hartnäckigen Kampf des schottischen Pedaltreters Graeme Obree um den Weltrekord im Bahnradfahren erzählt.
Wie es sich für einen britischen Film gehört, kommt der Held aus proletarischen Verhältnissen und muss sich als Amateursportler gegen das korrupte Establishment durchsetzen. Obree (Jonny Lee Miller) bastelt sich aus Altmetall und den Kugellagern einer Waschmaschine sein Wettkampfrad zusammen. Aber die Funktionäre des Radsportverbandes erlassen stets neue Richtlinien für die Konstruktion der Rennmaschine, um dem Underdog den verdienten Titel vorzuenthalten. Erst nach einer Krise gelingt es Obree, sich als Weltmeister zu etablieren. Von der Struktur folgt Flying Scotsman brav dem Muster des Genres, das seine Helden durch das tiefe Tal der Niederlage zum noch größeren Triumph führt. Aber Obree ist weder die unkaputtbare Sportskanone à la Rocky noch der kauzige Exzentriker, wie ihn Anthony Hopkins in Mit Herz und Hand vorführte. Seit seiner Kindheit leidet er an Depressionen, an denen auch der sportliche Erfolg wenig ändert.
Durch seinen Underdog-Charme wirkt Flying Scotsman deutlich sympathischer als die hochgedopten Sportlerfilme aus Hollywood, aber bei den Wettkampfszenen, in denen Obree in fast menschenleeren Velodroms keuchend seine Bahnen zieht, hätte man sich doch ein wenig mehr Einfallsreichtum gewünscht. Auch über das seelische Handicap des Langstreckenradlers hätte man gerne mehr erfahren. Die psychologischen Erklärungsmuster bleiben eindimensional. Die Chance, ein komplexes Bild von der Einsamkeit des Leistungssportlers zu zeichnen, wird verschenkt.

Martin Schwickert

GB 2006 R: Douglas Mackinnon B: John Brown, Declan Hughes, Simon Rose K: Gavin Finney D: Jonny Lee Miller, Billy Boyd, Laura Fraser, Brian Cox