LIEBER FRANKIE

Falscher Vater
Ein etwas süßliches britisches Sozialdrama

Frankie (Jack McElhone) ist neun und kann sich kaum noch erinnern, wie sein Vater aussieht. Ein Seemann sei er, sagt die Mutter, auf einem großen Handelschiff weit weg vom heimatlichen Schottland. Jede Woche bekommt Frankie einen Brief mit bunten Marken und Geschichten aus aller Welt.
Dass die Depeschen aus der Ferne von seiner Mutter zuhause am Küchentisch geschrieben werden, ahnt Frankie nicht. Vor sechs Jahren hat Lizzy (Emily Mortimer) ihren gewalttätigen Mann verlassen und für Frankie einen neuen Vater erfunden. Die Briefe sind für den gehörlosen Jungen der wichtigste Halt in einem unsteten Leben. Denn immer, wenn der Ex-Mann ihre Adresse herausgefunden hat, packt Lizzy die Koffer und zieht in eine andere Stadt. Aber als eines Tages ein Schiff in den Hafen einläuft, das den selben Namen trägt wie der Frachter des imaginären Vaters, droht die Illusion zu zerbrechen.
In fürsorglicher Verzweiflung engagiert Lizzy einen Fremden (Gerard Butler), der gegen ein kleines Honorar für einen Tag den weit gereisten Vater spielen soll. Der wortkarge Ersatzspieler gewinnt nicht nur schnell das Herz des Jungen, sondern verliebt sich auch in die Mutter.
Eigentlich könnte die Angelegenheit nun nach einer knappen Kinostunde schnurstracks zum Happy End geleitet werden, aber Debütregisseurin Shona Auerbach hat noch einige dramaturgische Hürden eingebaut und konzentriert sich in der zweiten Hälfte des Films auf Lizzys Ehetrauma-Bewältigung.
Ursprünglich war die Geschichte als Kurzfilm geplant. Die Ausdehnung auf Spielfilmlänge hat Lieber Frankie nicht unbeschadet überstanden. Emily Mortimer, Gerard Butler und dem jungen Jack McElhone schaut man gerne bei der Arbeit zu, aber die eklatanten Luftlöcher im Drehbuch können auch sie nicht füllen. Die Nebenfiguren entwickeln in den hineingeflickten Episoden zu wenig Eigenleben, und dem dramaturgische Hürdenlauf fehlt es an Schlüssigkeit.
Nach außen hin präsentiert sich Lieber Frankie mit seiner rohen Ästhetik in der Tradition des britischen Sozialrealismus. Unwirtlich wirkt die schottische Küstenstadt unter dem grauen Himmel, und verschlossen sind die Gesichter der Figuren. Aber unter der aufgerauten Oberfläche regiert eine versöhnliche Sentimentalität, die sich nur unwesentlich von den Formatvorlagen aus Hollywood unterscheidet.

Martin Schwickert
Dear Frankie GB 2004 R: Shona Auerbach B: Andrea Gibb K: Shona Auerbach D: Emily Mortimer, Jack McElhone, Gerard Butler