GABRIELLE

Liebe inklusive

Ein sorgfältiges Behindertendrama mit Musik

Gabrielle leidet, wie ihre Darstellerin Gabrielle Marion-Rivard, am Williams-Beuren-Syndrom, einem Gendefekt, der seine Träger kindlich und unselbständig macht, aber oft auch zu musikalischer Begabung führt.

Das Leben unter besonderen Umständen funktioniert gut, nur Gabrielles ältere, nicht behinderte Schwester hat Liebeskummer. Ihr Freund wartet im Ausland auf sie, aber sie traut sich nicht weg, weil sie sich doch kümmern muss.

Vorsichtig blättert die kanadische Regisseurin Louise Archambault das fragile Gefüge rund um Normalität und Abweichung auf, zelebriert geradezu das Glück der Chorproben, wo Betreuer und Betreute zu schwerelosen Momenten zusammenfinden. Und dann lernt Gabrielle Martin kennen, behindert wie sie, musikalisch wie sie, und die Probleme fangen an.

Auch die nettesten Betreuer können das Knutschen auf den Fluren nicht zulassen. Speziell Martins Mutter kann sich gar nicht vorstellen, was ihrem überbehüteten Sohn wohl erst auf einem Zimmer zustoßen könnte. Also nimmt sie Martin aus dem Chor und stürzt Gabrielle ins Unglück. Nun wird sie alles tun, um wieder zu ihrem Liebsten zu kommen, nun begehrt sie auf gegen wohlmeinende Helfer und hilflose Freunde. Nun riskiert sie sogar ihren ersten Traum, den Auftritt ihres Chors mit dem einen kanadischen Chanson-Star. Und wieder hält die Regie klug das Gleichgewicht zwischen Jugendromantik, Engstirnigkeitskritik und ebenso komischen wie rührenden Szenen. Etwa wenn Gabrielle versucht, mit ihrem Taschengeld eine Wohnung zu mieten, um frei zu sein. Erst am Ende läuft das ziemlich realistische Märchen von den Königskindern, die nicht zusammen kommen können, auf eine Apotheose der Inklusion hinaus. Der Chor der Behinderten steht bei einem großen öffentlichen Festival auf der Bühne, und Robert Charlebois singt mit ihm eine Hymne auf die Vielfalt des Menschen und dass man überall hin kommen kann. Sogar nach Indien, wohin Gabrielles Schwester sich der Liebe wegen endlich traut.

Wing

K 2013 R&B: Louise Archambault, K: Mathieu Laverdière D: Gabrielle Marion-Rivard, Mélissa Désormeaux-Poulin, Alexandre Landry