DAS LEBEN DES DAVID GALE

Deathwatch

Alan Parker zwischen Thriller und Predigt

Zu Beginn eine Autopanne. Eine junge Frau stürzt aus dem Wagen und rennt los. Es ist Kate Winslet, und sie läuft schneller als Franka Potente in Lola rennt . Warum, wieso, weshalb und dass sie nicht um ihr eigenes Leben rennt - das erfahren wir in Das Leben des David Gale erst nach 130 mit Rückblenden und Plotwendungen vollgestopften Kinominuten.
Der Film spult zurück und landet in der Redaktion eines Nachrichtenmagazins. Die junge Star-Journalistin Bitsey Boom (Kate Winslet) bekommt den Auftrag, einen Gefangenen zu interviewen, der in vier Tagen im Bundesstaat Texas hingerichtet werden soll. Der ehemalige Philosophie-Professor David Gale (Kevin Spacey) ist wegen Mordes an seiner früheren Kollegin Constance Harraway (Laura Linney) zum Tode verurteilt worden. Ironischerweise gehörten beide zu den führenden Aktivisten der Organisation Deathwatch , die in Texas - dem US-Bundesstaat mit der höchsten Hinrichtungsquote - gegen die Todesstrafe mobil macht. Als Bitsey das erste Mal ihrem Interviewpartner gegenüber tritt, weht nur kurz ein wenig Hannibal Lecter-Flair durch die Gitterstäbe. Aber dann - und damit wird die zweite Rückblendenebene kunstvoll eingezogen - beginnt Gale von seinem Schicksal zu erzählen.
Schon wenige Minuten danach ist das Publikum bis in die letzte Kinoreihe hinein von seiner Unschuld überzeugt. Nur die hartherzige Journalistin braucht ein wenig länger, um sich von der Lebensgeschichte des Akademikers erweichen zu lassen. Fälschlicherweise geriet Gale nämlich in Verdacht, eine Studentin vergewaltigt zu haben, verlor daraufhin Job, Frau und Kind, ergab sich dem Alkohol und fand in seiner besten Freundin Constance und der Arbeit bei Deathwatch ein wenig Halt im verwahrlosten Leben. Rechte Spießgesellen und Todesstrafenbefürworter wollten ihm nun den Mord in die Schuhe schieben.
Alan Parker versucht, politische Predigt und Thriller-Unterhaltung miteinander zu verbinden und scheitert auf beiden Ebenen. Trotz seiner formidablen Besetzung bleiben die Figuren und ihre Beziehungen untereinander eindimensional. Trotz aufwendiger Plotkonstruktionen beruhen alle Spannungsmomente nur auf billigen Genreeffekten. Mit einer letzten, kruden Wendung wird schließlich auch die politische Botschaft des Films durch ein bizarres Märtyrer-Szenario ad absurdum geführt.

Martin Schwickert

The Life of David Gale USA 2002 R: Alan Parker B: Charles Randolph K: Michael Seresin R: Kevin Spacey, Kate Winslet, Laura Linney