THE GAME


Gebeuteltes Mannsbild

Realitätsverlust als Spiel - Mike Douglas in David Finchers Düster-Thriller

Seit Adrian Lynes Eine verhängnisvolle Affäre ist Michael Douglas auf die Rolle des bedrohten Mannsbildes abonniert. Wo immer es gilt, eine Lanze für das in die Krise geratene Image des Männergeschlechts zu brechen, da ist Michael Douglas zur Stelle, und kaum ein anderer Hollywood-Star läßt sich derart vor der Kamera rupfen wie der Mann aus den Straßen von San Francisco. In Danny De Vitos Rosenkrieg zog er gegenüber der hundsgemeinen Kathleen Turner den kürzeren. In Basic Instinct drohte Sharon Stone, den Eispickel unter der Bettkante, mit mortalem Geschlechtsverkehr. In Falling Down mimte Douglas den braven Mittelstandsangestellten, der nach seiner Kündigung amoklaufend vollends die Fassung verliert. Und schließlich spielte ihm in Die Enthüllung Demi Moore ganz böse mit, indem sie ihn zuerst vernaschte und dann verklagte. Als Spielball in David Finchers The Game steht auch diesmal wieder für Michael Douglas alias Nicholas van Orton die komplette berufliche, materielle und private Existenz zur Disposition.
In seiner großzügigen Familien-Villa vor den Toren von San Francisco residiert der Bankenchef und Millionenjongleur Nicholas van Orton allein mit seiner Haushälterin. Er ist reich, einsam, geschieden, verschlossen und legt großen Wert darauf, sein Leben beruflich und privat hundertprozentig unter Kontrolle zu behalten. Im gigantisch luxuriösen Ambiente leistet sich van Orton ein asketisches Leben: Zum Abendbrot gibt es einen Hamburger mit Rohkostbeilage, und selbst sein Geburtstag soll nicht gefeiert werden, auch wann das weniger asketische Brüderchen ein Überraschungsessen arrangiert hat.
Conrad (Sean Penn) hat für seinen skeptischen Bruder noch ein weiteres Geschenk: ein Spiel. Die ominöse Firma CRS (Consumer Recreation Service) richtet für gutbetuchte, übersättigte Mitglieder der Konsumgesellschaft "Reality Games" aus, die ähnlich funktionieren wie Phantasie-Spiele, nur eben verdammt echt. Widerwillig läßt sich der abgeklärte Manager van Orton auf das "Geschenk" ein, und obwohl er schon im Eignungstest durchfällt, überschlagen sich bald die Ereignisse, das Spiel wird für den Vorzeige-Banker zum Alptraum. Schon bald hat er alles verloren, was Leute wie er so verlieren können: Kreditkarte, BMW, Schweizer Nummernkonto und vor allem die Kontrolle über sein Leben. Ob das alles nur Teil eines Spiels ist oder bitterer Ernst, darüber wird van Orton genauso im Unklaren gelassen wie das Publikum.
David Fincher, der wie die meisten US-Nachwuchs-Regisseure aus der Werbebranche zum Spielfilm wechselte, war mit seinem Ritual-Killer-Epos sieben außerordentlich erfolgreich. Fincher zelebrierte den Thriller nicht nur als Transportmittel für eine spannungsgeladene Geschichte, sondern als modernes Gesamtkunstwerk. Sieben beeindruckte nachhaltig als virtuos durchgestylter Anschlag auf das zentrale Nervensystem. The Game bleibt ein wenig hinter diesen hochgesteckten Erwartungen zurück. Auch wenn es der Regisseur versteht, selbst der kalifornischen Sonnenmetropole San Francisco düsteres Fincher-Outfit einzuhauchen - die atmosphärische Dichte, die sieben zum genußvollen Alptraum werden ließ, erreicht The Game mit dauerhaft unterbelichtetem Bildmaterial nicht.
The Game lebt vom Vertrauensbruch, weil er dem Zuschauer das Wissen darum, was innerhalb der filmischen Realität wirklich ist, komplett entzieht. Dem Publikum geht es nicht anders als dem gebeutelten Protagonisten. Die Sicherheit und Geborgenheit wird ihm im Kinosessel genommen. Diese vielversprechende Grundidee hätte jedoch noch einige Feinschliffarbeiten am Drehbuch vertragen, denn oftmals siegt die Grobmotorik der Action-Szenen über das gut angelegte Verwirrspiel. Am Ende schlägt der Plot einige seltsame Haken hin zum glücklichen Ausgang der Angelegenheit und legt den Verdacht hahe, daß auch ein erfolgreicher, ambitionierter Jungregisseur wie David Fincher in Hollywood Kompromisse machen muß.

Martin Schwickert