DIE GEISHA

Kino fürs Auge
Rob Marshalls Bestseller- Verfilmung enthält vor allem Tränen und Blicke

Regisseure, die einen Bestseller verfilmen, sollten für ihren Mut einen Orden bekommen. Schließlich gibt es kaum eine bessere Möglichkeit, ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten. Die Geisha, die lang erwartete Verfilmung von Arthur Goldens dickem Tränendrücker, ist ein solches Minenfeld: ein von seinen (meist weiblichen) Fans heißgeliebtes Buch über den Werdegang eines jungen Mädchens zur eleganten Geisha in den 30er und 40er Jahren. Die Tatsache, dass es sich dabei um ein im alten Japan spielendes Buch handelt, das wiederum von einem Autor aus Tennessee geschrieben wurde, wirft ein weiteres Problem auf: darf man realistischer sein als die Vorlage oder sollte man das exotische Märchen lieber als genau das verfilmen, was es ist, als Futter für die Sinne?
Regisseur Rob Marshall, der diesen unliebsamen Job von Steven Spielberg (und einer Reihe von anderen prominenten Vorgängern) erbte, hat sich offensichtlich für Letzteres entschieden. Seine Geschichte der jungen Chiyo, ihr Aufstieg als mysteriöse Geisha namens Sayuri und ihrer lang unerfüllten Liebe zu dem galanten "Chairman" ist ein sorgfältig einstudierter Tanz aus Fächern, Tüchern, Emotionen und Schicksalsschlägen - nicht unerwartet, Marshall ist gelernter Choreograph und Regisseur von Chicago. Im Gegensatz zu seiner Musicalverfilmung, die unterhielt, ohne zu sehr zu rühren, drückt Marshall hier gehörig auf die Tränendrüse und lässt suchende, liebende und hasserfüllte Blicke sprechen.
Diese stumme Blick-Technik kommt gelegen, da Marshall Die Geisha mit hervorragenden Schauspielern besetzt hat, die bis auf wenige Ausnahmen allerdings kaum Englisch sprechen: Ziyi Zhang (House of Flying Daggers) als Sayuri, Ken Watanabe (Der letzte Samurai) als der Chairman, Gong Li als böse Rivalin Hatsumomo und Michelle Yeoh als gütige Mentorin Mameha. Dass es sich bei allen drei genannten Damen um Chinesinnen handelt, löste zwar eine Entrüstungswelle unter Puristen aus, dem fertigen Film hat dies allerdings nicht geschadet.
Der Trick liegt darin, den Film zwischen Schnulze und Exotik zu inszenieren. Asien-Experten und kritische Leser mögen daran wenig Freue haben; zu sehr überwiegt die gewohnt-solide amerikanische Erzählweise. Als Tränendrücker epischer Größe kann der Film jedoch überzeugen.

Karsten Kastelan
Memoirs of a Geisha USA 2005 R: Rob Marshall. B: Robin Swicord, Doug Wright. K: Dion Beebe. D: Ziyi Zhang, Ken Watanabe, Michelle Yeoh, Kôji Yakusho, Kaori Momoi, Gong Li