DAS GEISTERSCHLOSS


Anlass zur Unruhe

Ein altmodischer Gothic-Thrill

Das kann nicht gut verlaufen: Ein einsames Herrenhaus mitten in englischer Heide, seit Jahren unbewohnt und von den Einheimischen tunlichst gemieden. Aber für Dr. David Marrow (Liam Neeson) erfüllen sich hier Bedingungen, die er für seine Studie über Schlafstörungen benötigt: Abgeschiedenheit und Ruhe.
Die Ruhe endet mit Einbruch der Dunkelheit. Seine drei Probanden - die Lebedame Theo, das Sensibelchen Nell und der Zyniker Luke - hören dumpfe Schritte auf dem Flur und Pochen an der Tür. Nell (Underground-Ikone Lili Taylor) spürt insbesondere die Unruhe, die in den Mauern und bald in ihren Knochen steckt. Sie forscht in der Geschichte des Hauses, entdeckt eine komplizierte Kinderwunschgeschichte und sieht sich dem Unglauben ihrer Gesellschaft ausgesetzt. Aber dann geht das Licht wieder aus. Die Empfindsame des Quartetts ist im Recht - und das Tor fest verschlossen.
Das Gemetzel kann beginnen - hätten wir es bei Das Geisterschloss mit einem astreinen Teen-Slasher zu tun.
Aber Regisseur Jan de Bont widersetzt sich der Versuchung populärer Strömungen. Der Niederländer beeindruckt mit einem fast klassischen Szenario, in dem kein Lebenssaft kübelweise über die Beteiligten geschüttet wird. Spannung erzeugt das Unsichtbare, das grollende Etwas hinter der Kamera, der fliehende Vorhang im Wind.
Es ist unübersehbar, dass de Bont einst als Kameramann seine Karriere begann. Die Bilder verfügen über eine packende Dynamik und Schärfe, hinter der sich die Visionen de Bonts respektive des agierenden Kameramannes Karl Walter Lindenlaub verbergen. Nahezu in Sekunden wechselt die Vogelperspektive zur extremen Nahaufnahme, fällt der Blick ins Bodenlose oder schwingt sich in winklige Höhen hinauf. Die Kamera war einem fliegenden Auge selten näher.
Eine weitere Stärke liegt in der Darstellerwahl. De Bont machte Sandra Bullock zum Star und präsentiert in Das Geisterschloss erstmals Lili Taylor als tragende Person in einem Blockbuster. Auch die Nebenrollen mit Liam Neeson und Catherine Zeta-Jones als extravagante Theo zu besetzen, spricht für eine clevere Nase. Beide Akteure sind mittlerweile mit Megaproduktionen in aller Munde.
Bei der Geschichte verlassen sich die Macher auf "The Haunting of Hill House" von Shirley Jackson. Die Umsetzung gestaltet sich zu einem flüssigen Spuk, in dem jede Szene sitzt und kein Pulver verschossen wird. Wer gute Schauspieler in einem altmodischen Nervenkitzel mag, wird in voll auf seine Kosten kommen.

Ulf Lippitz