DER GEJAGTE


Männer im Schnee

Paul Schraders Psychogramm eines Verlierers

Lawford in New Hampshire ist ein ziemlich ödes Kaff. Der Winter in Lawford ist lang und hart und die Menschen, die dort leben, müssen gegen viel Schnee ankämpfen. Wade Whitehouse (Nick Nolte) ist der einzige Polizist in diesem Ort. Und da es für Wade in Lawford nicht viel mehr zu tun gibt als den Schülerlotsen zu spielen, verdient er sich mit Nebenjobs seinen bescheidenen Lebensunterhalt. Das einzige, wovon Wade träumt, ist das amerikanische bürgerliche Klischee schlechthin, der Traum von der intakten Familie. Ein Traum, den es besonders in Amerika immer wieder zu verteidigen gilt.
In Wades realem Leben liegt diese bürgerliche Idylle in Scherben. Von seiner Frau ist er längst geschieden, seine Tochter darf er nur an bestimmten Wochenenden zu sich nehmen. Sein Vater (James Coburn, hier einfach großartig) ist ein sadistischer Alkoholiker, unter dessen Prügel Wade und seine Geschwister als Kinder schwer zu leiden hatten. Darum ist sein Bruder Rolfe (Willem Dafoe) auch schon längst in die Großstadt abgehauen, mit der festen Absicht, nie mehr zurückzukehren. Plötzlich geschieht etwas Unerwartetes in Lawford. Ein hochrangiger Gewerkschafter kommt bei einem Jagdunfall ums Leben. Wade vermutet eine Verschwörung und wittert einen Mord, in den zudem noch sein bester Freund verwickelt sein soll. Gleichzeitig ist dieser Fall auch eine Chance für Wade, alles das, was er schon längst verloren geglaubt hatte, wieder zurückzugewinnen. Das ist ein Trugschluß, und Wade steht erst am Anfang der Katastrophe.
Auch wenn es sich so anhört, aber ein Krimi ist Paul Schraders neuer Film Der Gejagte nicht. Vielmehr ist der Film das Psychogramm eines Versagers. Paul Schrader und seine kaputten Figuren - eine Never Ending Story. Und wer schon Filme nach Drehbüchern Schraders (Taxi Driver), oder eins seiner selbst inszinierten Werke (Hardcore) gesehen hat, der weiß, daß der Mann seine Figuren ziemlich schonungslos unter die Lupe legt.
Wir sehen Wade Whitehouse im ausichtslosen Kampf mit den Dämonen die in ihm wohnen. Hilflos klammert er sich an einen Mordfall und hofft so, seine Würde zurückzugewinnen. Er versucht die Dinge in Ordnung zu bringen, immer alles richtig zu machen. Doch in seinem Innern lauert ein zorniges Tier. "Ich bin wie ein alter Hund. Bis jetzt habe ich nur mit den Zähnen gefletscht, irgendwann werde ich zubeißen..." sagt Wade einmal. Und ist uns dabei zu keiner Minute wirklich symphatisch. Eine Vertrautheit mit den anderen Personen des Films will auch nicht so recht aufkommen.
Der Gejagte ist ein eher bedrückender Film. Schrader ist weit davon entfernt, leichte Kost zu verabreichen. Bilder aus der Einöde, in denen die Umgebung und die Menschen in ihr wie erstarrt wirken. Grau ist die vorherrschende Farbe. Hier hat auch der Schnee nichts leuchtendes mehr. Und wo die Coens in Fargo aus einem banalen Kleinstadtleben immer noch skurile Momente entdeckten, versucht Schrader erst gar keine Zweifel aufkommen zu lassen, daß er es ernst meint; Humor war noch nie Schraders starke Seite.
Eine erstklassige Schauspielerriege, allen voran Nick Nolte, hat ihm dabei geholfen daß sein Problemfilm ganz ohne peinliche Momente auskommt. Und auch wenn in so manchen Momenten der Erzählfluß durch die zähe Inszenierung ins Stocken kommt, ist Der Gejagte doch ein Film der das anschauen lohnt. Auch oder gerade weil er dem Zuschauer eine Menge Geduld abverlangt.

Mirko Puzic