LIEBER GESTERN ALS NIE


Gestraft vom Leben

Schon wieder ein "Was wäre wenn"-Film

Im Zeitalter virtueller Realitäten findet auch das Kino zu einem spielerischen Umgang mit der Wirklichkeit. Lola rennt erzählte drei Varianten der gleichen Geschichte und näherte sich auch optisch der Ästhetik des Computerspiels an. Die romantische Komödie Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht" ließ zwei Lebensversionen parallel laufen, und nun folgt mit dem britisch-spanischen Produktion Lieber gestern als nie ein weiterer Film, der mit einem dramaturgischen Multiple-Choice-Verfahren arbeitet.
Wenn man im echten Leben etwas gründlich verbockt hat, bekommt man selten eine zweite Chance. Im Kino hingegen können Träume Wirklichkeit werden. Der konsequent erfolglose Schauspieler Victor (Douglas Henshall) beichtet seiner Lebensabschnittsgefährtin eine Affäre. Sylvia (Lena Headey) kappt daraufhin die langjährige Beziehung und verliebt sich ihrerseits wenig später in den weitaus attraktiveren Dave (Mark Strong). Mit Blumensträußen, Selbstmorddrohungen und Verleumdungen versucht Victor das Herz der Verflossenen wiederzugewinnen. Aber wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Voller Selbstmitleid irrt der Liebeskranke durch das sommerliche London und heult sich bei Freunden, Passanten, Zeitungsverkäufern, Barkeepern und sogar an den Schultern zweier Müllentsorger aus. Die erweisen sich als Magier und beamen Victor zurück in die Vergangenheit. Der verwirrte Zeitreisende tut nun alles, um den Beziehungs-GAU aufzuhalten. Er bricht seine Affäre ab, verschweigt Sylvia den Fehltritt, fängt an zu joggen und gewöhnt sich sogar das Rauchen ab. Aber das Schicksal ist nicht aufzuhalten und treibt Sylvia trotzdem in die Arme des Rivalen. Auf hinterhältigste Weise betrügt sie den geläuterten Geliebten und gibt ihm schließlich den Laufpass. Erst als Victor die schöne Louise (Penélope Cruz) kennenlernt, wächst bei Sylvia wieder Interesse für den Ex-Lover. Aber wer zu spät kommt, den bestraft das Drehbuch ...
Lieber gestern als nie leidet an der gleichen Krankheit wie Peter Hewitts Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht. Die originelle Idee wird mit einer belanglosen Story verbunden. Die Vorstellung, das eigene Leben noch einmal zurückdrehen zu können, ist sicherlich anregend, aber auf Dauer nimmt das emotionale Hüh und Hott der schablonisierten Mittdreissiger-Figuren der Geschichte den Schwung. Dabei hat die Art, mit der der reuigen Sylvia das Happy End verweigert wird, durchaus moralischen Lehrstückcharakter. Nach außen ist diese allzu europäische Co-Produktion hübsch hip zurechtgestylt. Auf der Musikspur werden die aktuellen Club-Charts heruntergespielt. Wie vor kurzem Roger Michells Notting Hill, so nutzt auch dieser Film das multikulturelle London als fröhlich bunte Filmkulisse, ohne sich wirklich den eigenwilligen Beat der Millionenmetropole einzulassen.

Martin Schwickert