THE GLASS HOUSE

Sanfter Terror

Kinder am Rande des Nervenzusammenbruchs

Ist das, was wir sehen, auch das was es ist? Oder kommt es nicht nur auf die Perspektive an? Ein beliebiges Ereignis hat bekanntlich zwei Seiten. Wer durch Glas (und damit auch die Linse der Kamera) hindurchsieht, erhält nur einen Ausschnitt einer Begebenheit - vielleicht sogar in vergrößerter, verkleinerter oder verzerrter Form. Mit diesen Gedanken spielt der Film The Glass House . Selbst im Titel verbirgt sich Doppelbödiges: Es handelt sich eben nicht nur um den transparenten Glas-Palast in den Hügeln Malibus, es ist auch der Name der Besitzer - des Ehepaars Glass. Erin und Terry Glass (Diane Lane und Stellan Skarsgard) nehmen nach dem Unfalltod ihrer Freunde deren Kinder bei sich auf. Ruby (Leelee Sobielski) und Rhett (Trevor Morgan) fügen sich dem testamentarischen Willen der Eltern. Aber Ruby wittert bald ein Komplott.
Regisseur Daniel Sackheim folgt in seinem Filmdebut dabei einer dramaturgisch cleveren Idee. Er zeigt uns die Welt aus der Sicht der sechzehnjährigen Ruby, ihre Entdeckungen, Ängste und Zweifel. Denn zu jedem seltsamen Zwischenfall gibt es eine plausible Erklärung. Die ständig am Rande eines Zusammenbruchs wirkende Hausherrin spritzt Insulin, nicht Morphium. Der vage Annäherungsversuch von Terry an Ruby entpuppt sich als fürsorgliche Anschnall-Bitte im Jaguar.
Aber nicht umsonst hat Rubys Mutter ihr zu Beginn des Filmes - quasi gerade rechtzeitig vor dem Ableben - den Rat gegeben, stets genau hinzusehen. Und Ruby entdeckt in der kühlen, blauen Designer-Kulisse bald Risse. Nur glauben möchte ihr keiner. Wo alles so offen liegt und jeder Raum einsehbar ist, kann man nichts verbergen. Oder?
Ein Schauermärchen für die Teenie-Generation will das Produzenten-Team um Neal H. Moritz ( Cruel Intensions , The Fast And the Furious ) inszenieren. In handwerklicher Perfektion gelingt den Machern ein moderat spannendes Werk mit hübsch anzusehender Gestaltung und einem sehr guten Darsteller-Trio. Nur leider verliert der Film am Schluss seine dramatische Langsamkeit und seine eindimensionale Perspektiv-Wahl. Und ganz ur-amerikanisch folgt The Glass House dann dem Grundsatz Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das soll die liebe Ruby ausgerechnet der Hamlet-Lektüre zu verdanken haben. Da hört der Spass spätestens auf.

Ulf Lippitz

USA 2001. R: Daniel Sackheim. B: Wesley Strick. K: Alar Kivilo. D: Leelee Sobieski, Diane Lane, Stellan Stkarsgard, Bruce Dern