EIN LIED VON LIEBE UND TOD - GLOOMY SUNDAY


One Hit Wonder

Der Tod ist ein Ohrwurm aus Ungarn

Dieses Lied ging wirklich um die Welt, vor einem halben Jahrhundert - und zighundert Lebensmüde wählten es zum Soundtrack ihres Abgangs. Allerdings meist in der Fasssung von Billie Holiday - und die kommt im Film nicht vor. Aber auf dem "Soundtrack" zum Film, der Versionen von Artie Shaw bis Elvis Costello, von Serge Gainsbourg bis Sinead O Connor versammelt: ein Dutzend mal "Trauriger Sonntag"; wer soll das überleben?
Von einem Witz mit ähnlicher Wirkung erzählt ein Monty Python Sketch: wer ihn erzählte, fiel tot um. Bis ihn die Engländer unter grossen Verlusten ins Deutsche übersetzen und von Sprachunkundigen über den Schützengräben verlesen ließen. So gewann der Humor den Krieg. Aber dieser Witz kommt im Film, einer ungarisch-deutschen Koproduktion, nicht vor.
Auch nicht, dass in Ungarn, wo der Soft-Killer-Song Ende der 30er entstand, noch heute die Selbstmordrate Weltniveau hat. Oder dass im Roman zur Anekdote (von Nick Barkow) der Böse überlebt, aber die Liebesgeschichte fehlt. Rolf Schübel, ein renommierter Dokumentarist mit wenig Spielfilmerfahrung, kondensierte vielmehr die melancholischen Episoden zu einer Drei-Männer-Geschichte rund um eine schöne Frau - und wiederholt die traurigen Synkopen von "Szomoru Vasarnap" so häufig als Hintergrundmusik, dass man sich schon vor den Projektor werfen will, wenn die Nazis noch gar nicht in Budapest einmarschiert sind.
Da betreibt Joachim Krol als sanfter jüdischer Patron Laszlo ein Magyar-Restaurant mit Klavierbegleitung. Seine Geliebte Ilona (Erika Marozsan) serviert, ihr Geliebter Andras (Stefano Dionisi) pianiert, der junge Deutsche Hans (Ben Becker) will auch mitspielen - und springt, von Klavier und Kellnerin abgewiesen, in die Donau. Der Chef, selbst etwas liebeskrank, zieht in raus ... und noch könnte es Jules und Jim mit Zigeunersauce werden.
Noch halten sich die Sinnsprüche in Grenzen: "Jeder Mensch sucht etwas für den Leib und für die Seele - etwas, dass ihn satt macht und etwas, dass ihn hungrig macht" sagt Laszlo, der lieber eine halbe Ilona als gar keine hat. Zumal er einen ganzen Hit dazukriegt. Andras' "Lied vom traurigen Sonntag" füllt das Restaurant, kommt als Platte raus, kriegt den Freitod-Hymnen-Ruf.
Eine bittersüße Serenade zu Dritt hebt an - aber dann kommt Hans zurück. In der Uniform eines Standartenführers der SS-Totenkopf-Verbände. Er beschlagnahmt jüdisches Eigentum, verkauft seinen Einfluss - und macht einen Witz, der das Melodram einmal haltlos in die Groteske kippen läßt. "Der Duden ist unser Unglück" fährt er seine Sekretärin an, die Rechtschreibschwächen in Arisierungs-Dokumenten tilgen will. Überhaupt bricht Rolf Schübel den Herbstmilch-Ton in Licht und Kamera (Edward Klosinksi, der viel mit Wajda, Wicki und Kieslowski arbeitete) oft auf: ihm schwebte eine deutlich undeutsche filmische Versuchsanordung vor, die Blues und Paprika, Ironie und Albernheit, Casablanca und Kritik zusammenbringt. Leider sind die Schauspieler zu gut (erwecken echtes Mitleiden) und die Dialoge zu schlecht für das Konzept. Und Heather Novas Titel-Song-Interpretation überm Abspann ist viel zu poppig für das zerrissene, ungarische Gefühl, das trotzdem bleibt.
Diesen Film wird das Publikum überleben - aber gegen wen spricht das?

WING