Gloria

Nuancen des Lebens

Ein chilenisch-spanischer Film über das Leben jenseits der 50

Sie singt auf Weg zur Arbeit im Auto lauthals schmalzige Liebeslieder im Radio mit. Abends geht sie auf Senioren-Tanzveranstaltungen. Und manchmal landet sie ziemlich betrunken mit einem Mann im Bett. Oder auch nicht. Gloria, um die 50, geschieden, zwei erwachsene Kinder und meistens ziemlich einsam, versucht, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Sie ruft ihre Kinder an (die nie zurückrufen), sie trifft sich nach 12 Jahren mit ihrem Ex und dessen neuer Frau, Gloria trinkt, weint, lacht, schwankt und kommt doch immer wieder auf die Füße. Wenn auch manchmal schwer verkatert an einem Strand aufwachend, und sie kann sich überhaupt nicht erinnern, wie sie hier gelandet ist. Gloria ist ein Film, der seiner Titelheldin beim Leben zuschaut. Und weil Paulina García diese Gloria ist, macht das ungeheuer viel Spaß. Überhaupt ist das ein Film, in dem ein äußert präzises agierendes Ensemble den Nuancen des Gefühls nachspürt. Regisseur Sebastián Lelio legt Wert auf versteckte Blicke und kleine Gesten, die Auskunft geben über die Befindlichkeiten seiner Heldin. Die hat im Laufe des Films eine ziemlich aufregende, letztlich aber enttäuschende Affäre mit einem Mann, der aus seinem alten Leben einfach nicht herausfindet. Gloria aber, die gegen Ende des Films erfährt, dass sie ein Glaukom hat, nimmt in der letzten Szene die Brille ab und schiebt sich vorsichtig wieder auf die Tanzfläche, um ganz für sich allein inmitten der anderen Tanzenden ihren Tanz zu beginnen. Ein schöneres Bild hätte Lelio für seine Heldin kaum finden können. "Gloria"-Darstellerin Paulina García bekam dafür 2013 den Silbernen Bären.

Thomas Friedrich

CH/Es 2013 R & B: Sebastián Lelio K: Benjamin Echazarreta D: Paulina García, Sergio Hernandéz, Diego Fontecilla