»GODS AND MONSTERS«

Schwuler Horror

Ein Portrait des Grusel-Filmers James Whale

Schwule Charaktere werden auf der Leinwand selten älter als 29. Danach verlieren sie für das Mainstreamkino rapide an Attraktivität. Gegen diesen Trend rückt Bill Condons Gods and Monsters das bittere Lebensresümme eines schwulen alten Mannes ins Zentrum des Interesses.
Der Horror-Regisseur James Whale (1896-1957) ging vor allem mit Klassikern wie Frankensteins Braut in die Filmgeschichte ein und war einer der wenigen Filmemacher, der sich in den 30ern zur Homosexualität bekannte. Im spießigen Nachkriegs-Hollywood fiel Whale auch durch seinen Lebensstil in Ungnade und verschwand bald von den Gehaltslisten. Als seine Leiche 1957 im Swimming-Pool treibend aufgefunden wurde, rankten sich allerhand Gerüchte um die Umstände seines Todes. Mit seiner ganz und gar fiktiven Geschichte reist Gods and Monsters zurück in die letzten Lebensmonate des britischen Regisseurs.
In seinem großzügigen Anwesen im sonnigen Kalifornien lebt der 61jährige Whale (Ian McKellen) zurückgezogen mit seiner Haushälterin Hannah (Lynn Redgrave). Nach einem Gehirnschlag überfallen ihn unkontrolliert Halluzinationen und Erinnerungsattacken. Nichtsdestotrotz fackelt die bewährte Leidenschaft für gut gebaute junge Männer immer wieder auf. Genüsslich verwandelt er das Interview mit einem studentischen Grünschnabel in eine unterhaltsame Strip-Pokerrunde. Auch der unbedarfte Hausgärtner Clayton (Brendan Fraser) wird zum Objekt der Begierde. Freizügige Einladungen zum Nacktbaden im Pool, lehnt der Ex-Marine irritiert ab, aber schließlich gelingt es Whale, den schmucken Heckenschneider als Modell für züchtige Porträtskizzen zu gewinnen. Der stockheterosexuelle Clayton fühlt sich von den Avancen des schwulen Gentlemans geschmeichelt und abgestoßen zugleich. Dennoch beginnt er sich für die Geschichten des ruhmreichen Regisseur zu interessieren. Während Whale mit sensibler Verführungstaktik an der sukzessiven Vergrößerung des Bildausschnittes arbeitet, wird der Gärtner zum geheimen Vertrauten und zur Schlüsselfigur in Whales letzter Inszenierung.
Auf die Folie des äußerst spannenden Verführungsszenarios projiziert Regisseur Bill Condon seine sparsame Rückblendendramaturgie. Originalszenen aus Frankenstein, vermischen sich mit traumatischen Weltkriegserinnerungen. Ausgelassene Orgien am Pool kommen ebenso ins Gedächtnis wie die hektischen Dreharbeiten in Hollywood. Diese Erinnerungen blitzen nur kurz auf und stellen assoziative Bezüge zwischen Leben und Werk des Horrorfilmers her. Das Design der Frankenstein-Figur erscheint als Verarbeitung des realen Weltkriegshorrors und das einsame Monster reflektiert die Erfahrungen des Regisseurs als schwuler Außenseiter im Hollywoodbetrieb.
In einer finalen Gewitternacht verschmelzen schließlich die verschiedenen Erzählstränge zu einer explosiven Mischung. Der nach außen eher schlicht gehaltene Film ist mit dramaturgischer Perfektion konstruiert und kann auf eine ideale Besetzung zurückgreifen. Lynn Redgrave als schroffe ungarische Haushälterin verfügt über ein unerschöpfliches Reservoir von missbilligenden Blicken. Brendan Fraser ( George of the Jungle ) emanzipiert sich vor laufender Kamera endlich von seinem tumben Naturburschen-Image und der Shakespeare-Mime Ian McKellen - einer der wenigen offen homosexuellen Schauspieler seiner Generation - ist als todkranker Charmeur absolut unschlagbar.

Martin Schwickert