GOODBYE LOVER


Female Manpower

Wenn Frauen erstmal loslegen ..

Wenn ein Film zu Beginn Patricia Arquette im schneeweißen Kostüm in einer katholischen Kirche die Kollekte einsammeln läßt, kann das nicht mit rechten Dingen zugehen. Die hyperlaszive Femme Fatale als Meßdienerin - da ist man schon auf den ein oder anderen Plotwendepunkt vorbereitet.
Davon hat Roland Joffes Goodbye Lover mehr als genug zu bieten. Wenig später sehen wir, wie die engagierte Gemeindemitarbeiterin Sandra Dunmore oben an der Orgel mit dem Küster Ben (Don Johnson) kopuliert, der im Hauptberuf ein erfolgreicher Werbeagent und außerdem der Bruder von Sandras Ehemann ist. Daß Sandra Ben dazu bewegen will, den ohnehin schwer depressiven und alkoholabhängigen Gatten Jake (Dermot Mulroney) mortal zu entsorgen, verwundert das brudermordgewohnte Kinopublikum wenig. Daß dann statt dessen Ben vom Hochhaus stürzt und sich die Eheleute beglückt in die Arme fallen, ist eine gelungene Überraschung, auf die noch einige weniger gelungene folgen werden.
Die Antwort des 90er Jahre Kinos auf die klassische "whodunit"-Dramaturgie sind die "whofuckedwhom"-Geschichten. Wie im letzten Sommer Wild Things versucht auch Goodbye Lover sein Publikum mit einer endlosen Kette von Intrigen an der Nase herumzuführen. Wie auf einem Schachbrett schiebt Regisseur Roland Joffe (Killing Fields) seine Charaktere hin und her, mit jener modischen Distanziertheit, die auf Identifikationsfiguren bewußt verzichtet. Als schwarze Komödie ist das anfangs recht unterhaltsam und auf Dauer etwas ermüdend. Die serpentinenartige Story hält nicht immer, was sie verspricht und daß man weder Bruder, Gattin, noch Geliebten und polizeilichen Ermittlerinnen trauen kann, wenn es um eine Versicherungssumme von 8 Millionen Dollar geht, ist hinlänglich bekannt.
Aber Filme - auch das ist bekannt - bestehen nicht nur aus den Geschichten, die sie erzählen, und das schmückende Beiwerk hilft auch Goodbye Lover über die Runden. Zunächst ist da natürlich Patricia Arquette. Gewohnt somnambul schwebt sie durch den Film und verleiht dem ausgekochten Luder jenen Hauch von Zerbrechlichkeit, der dem Klischee der Femme Fatale das notwendige Gegengewicht gibt. Das Sex-Appeal ihrer wunderbar nörgelnden Originalstimme wird zwar sicherlich in der Synchronisation verloren gehen, aber allein ihre ständig wechselnden Kostüme vom babyrosa Kleidchen bis zum silber-glitzernden Astronauten-Anzug sind eine Reise ins Kino wert. Mit wasserstoffblondierten Pagenschnitt rezitiert Sandra - von Beruf Immobilienmaklerin - Kindermusicals aus den 50ern, was in den kitschigen Luxusvillen-Interieurs zwischen Goldbrokat und Porzellanengeln besonders gut zur Geltung kommt. Die Ausstatter (und die Kamera von Dante Spinotti) haben in Goodbye Lover weitaus mehr Sinn für Details und Humor bewiesen als die Drehbuchautoren. Sandras weiblicher Counterpart ist die ermittelnde Kommissarin Rita Pompano - eine Rolle, in der Ellen DeGeneres all den Zynismus männlicher Kino-Cop-Figuren der letzten Jahrzehnte bündelt und potenziert. Bei soviel femininer "Manpower" bleibt das männliche Staraufgebot (Don Johnson, Dermot Mulroney, Vincent Gallo) auf der Strecke. Daß die beiden Frauen schließlich das Happy End für sich allein verbuchen können, gehört zu den seltenen Gerechtigkeitsmomenten in diesem allzu demonstrativ unmoralischen Film.

Martin Schwickert