GRABGEFLÜSTER

Radieschen von unten

Ein Feel Good-Movie mit Sarg

Vom schwarzen Humor verstehen die Briten etwas. Trotzdem hat nicht alles, was unter diesem Label exportiert wird, die Auszeichnung auch wirklich verdient. Schaut man auf die Verpackung von Nick Hurrans Grabgeflüster, scheinen die Zutaten zu stimmen. Eine kauzige Gemeinde in Wales und das morbide Flair eines Bestattungsinstituts sind als Setting für eine schwarze Komödie genregerecht gewählt. Dass sich hier eine ehemüde Bürgermeistergattin bei lebendigem Leibe begraben lässt, um mit dem Beerdigungsunternehmer inkognito in die Karibik durchzubrennen, klingt gar nicht mal so schlecht. Dumm nur, dass Hurran den britisch-herben Genresarkasmus mit literweise Süßstoff versetzt, um sein Produkt für das breite Weltmarktpublikum zu öffnen. Die Postkartenbilder aus der walisischen Kleinstadtidylle, die aufdringlich gut gelaunte Musiksoße und der allgegenwärtige, nostalgische Farbschleier weichen die Geschichte zunehmend auf und transformieren sie in ein seichtes Feel-Good-Again-Movie für die etwas reifere Jugend.

Zu alten Ballroom-Melodien tanzen Betty (Brenda Blethyn) und Boris (Alfred Molina) durch das Bestattungsinstitut und geben ihrer verpatzten Jugendliebe eine späte, zweite Chance. Aber um ein neues Leben zu beginnen, muss das alte erst einmal begraben werden. Ein Sturz von der Klippe und ein paar Stunden im Tiefkühlfach gehören zu den zahllosen Unannehmlichkeiten, die Betty für ihren fingierten Tod in Kauf nehmen muss. Hinzu kommt der Kampf um den Leichnam gegen einen konkurrierenden Bestattungsunternehmer (Christopher Walken), der im walisischen Wrottin-Powrys die Branche mit amerikanischen Werbekonzepten und "Themenbegräbnissen" aufmischen will. Die Beerdigung eines Star Trek-Fans mit Nebelmaschinen und Spezialeffekten geht in die Annalen des Städtchens ein. In solchen Szenen erkennt man, was aus dem Film mit einem bisschen mehr Mut zum Skurrilen hätte werden können. Aber abgesehen von der Schwiegermutter, die an ihren Lieblings-Cornflakes erstickt, will Hurran mit seinem Humor keinem weh tun. Weder dem Publikum noch den Figuren. Schlechte Vorraussetzungen für eine schwarze Komödie, aber immerhin ein solides Fundament für ein nettes Filmchen, das netten Leuten einen netten Kinoabend bescheren will. Wenigstens das ist Nick Hurran gelungen.

Martin Schwickert

Plots With a View GB 2003 R: Nick Hurran B: Frederick Ponzlov K: James Welland D: Brenda Blethyn, Alfred Molina, Christopher Walken