DIE GRÄFIN

Bis zum letzten Tropfen

Erzsébet Báthory als moderne Frau mit Hau


Das Interview zur Kritik

Mit Botox wäre das nicht passiert. Aber der zweifelhafte Segen der Schönheitspharmazie war Ende des 16. Jahrhunderts noch nicht erfunden. Und so mussten zahlreiche Jungfrauen dran glauben, um der ungarischen Gräfin Erzsébet Bathory (1560-1614) zu ewiger Jugend zu verhelfen. Über 150 Mädchen soll die berüchtigte Blutgräfin mit einer speziellen Apparatur wie Zitronen ausgequetscht haben, um - im ganz wörtlichen Sinne - in ihrem Blut zu baden.

Die Gebrüder Grimm, Bram Stooker ("Dracula") und so einige Black Metal-Bands haben sich von der blutdurstigen Adelsfrau für ihre eigenen Horrorvisionen inspirieren lassen. Jetzt rollt Julie Delpy die Geschichte in Die Gräfin neu auf.

Anders als ihre Vorgänger interessiert sich Delpy wenig für die Gruselfantasien, die sich um die Persönlichkeit Erzsébet Bathorys über die Jahrhunderte gerankt haben. Sie zeichnet die Adelsdame als selbstbewusste Herrscherin, die nach dem frühen Tod ihres Mannes die Geschäfte in der Grafschaft übernimmt und sich dank ihres finanziellen Geschicks souverän in der Männerwelt durchsetzt. Dann kommen der Krieg, der die Geschäfte einbrechen lässt, und ein schöner Kavalier, mit dem Erzsébet eine leidenschaftliche Affäre beginnt.

Die Angst, der 21jährige Istvan Thurzo (Daniel Brühl) könne irgendwann die Lust an ihr verlieren, treibt die Gräfin in die Krise. Das Spiegelbild wird gründlich auf Falten untersucht, und der Blutstropfen einer Kammerzofe (Anna Maria Mühe) ist der Anfang einer Verjüngungskur, die etlichen Jungfrauen das Leben kosten wird und schließlich vollkommen außer Kontrolle gerät, als Istvan sie verlässt. Derweil wittert dessen Vater (William Hurt) im unsittlichen Tun der Gräfin die Möglichkeit für die ersehnte Entmachtung der Herrscherin.

Mit kühler Distanz blickt Delpy auf das Schicksal der Blutgräfin. Romanze und Horror werden ohne schwülstiges Beiwerk inszeniert. Aus dem Mythos extrahiert Delpy die Lebensgeschichte einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und doch, von Selbstzweifeln und Enttäuschung getrieben, einem fatalen Schönheitswahn verfällt.

Trotz der Intrigen, die sie umgeben, wird Erzsébet nicht als Opfer der Verhältnisse gezeigt, sondern als selbstbewusste Täterin, die weniger im Wahn als aus einer gewissen Herzenskälte heraus agiert. Die Gratwanderung zwischen der zutiefst enttäuschten Liebenden und der emotional reservierten Jungfrauenmörderin gelingt Delpy perfekt. Daniel Brühl hingegen bleibt in der Rolle des romantischen Liebhabers merkwürdig blass.

Martin Schwickert

The Countess D 2008 R&B: Julie Delpy K: Martin Ruhe D: Julie Delpy, Daniel Brühl, William Hurt