GRAN TORINO

Der Grantler

Clint Eastwood benimmt sich daneben. Und macht daraus einen klugen Film

Wenn unsereins auf den Boden spuckt, fällt der Speichel in den Dreck und das wars. Wenn Clint Eastwood auf die Erde spuckt, hält die Filmgeschichte den Atem an und vor den Augen der Zuschauer tut sich ein ganzes Universum der Verachtung auf.

Verachtung - die hat der Korea-Kriegsveteran Walt Kowalski ein Leben lang in sich angereichert, und der alte Mann speit sie auch heute noch wie ein Vulkan auf seine Mitmenschen aus. Auf seinen Sohn, der ihn nach dem Tod der Mutter in eine Seniorenresidenz entsorgen will, auf die verzogene Enkeltochter, die tatsächlich hofft seinen blank polierten Ford Gran Torino zu erben, auf die Nachbarschaft, die mittlerweile fast ausschließlich aus Asiaten besteht.

Aber ein Mann wie Walt lässt sich nicht von seinem eigenen Grund und Boden vertreiben. Auch wenn der Vorgarten nur ein paar Quadratmeter misst, wird das Stück Rasen zur Not mit der Flinte gegen Eindringlinge verteidigt.

In Gran Torino , der zweiten Regiearbeit Eastwoods in diesem noch jungen Kinojahr, tritt die Graue Eminenz des amerikanischen Kinos endlich wieder selbst vor die Kamera, um das eigene Leinwandimage des harten Brockens in die geriatrische Überzeichnung zu führen.

Allein das Reservoir an Kraftausdrücken, das Walt auf seine Mitmenschen niederregnen lässt, scheint unermesslich. Sogar den befreundeten Friseur um die Ecke deckt er zur Begrüßung mit Schimpfwörtern ein, was dieser mit scharfer verbaler Munition pariert - ein Männerritual einer vom Aussterben bedrohten Gattung.

Vergessen und einsam wie ein Dinosaurier sitzt Walt auf seiner Veranda, leert aus der Kühlbox eine Dose Bier nach der anderen und macht keinen Hehl aus seinen rassistischen Ressentiments gegenüber der multikulturellen Nachbarschaft.

Als sich eine vietnamesische Jugendgang nachts auf seinem Rasen prügelt, verjagt er sie mit der Waffe in der Hand und wird unfreiwillig zum Held der asiatischen Community. Blumen und wohlschmeckende Präsente türmen sich auf seiner Treppe - und wandern in den Müll.

Der Sohn der vietnamesischen Nachbarin, der vergeblich versucht hat, Walts Auto zu stehlen, muss zur Rettung der Familienehre eine Woche lang für den garstigen Alten arbeiten. Widerwillig lässt sich Walt auf das Sühneverfahren ein und versucht aus dem zögerlichen Thao (Bee Vang) einen echten Kerl zu machen.

Mit unschlagbarer Selbstironie zeichnet Clint Eastwood den verbitterten Altmacho, der sich hinter seiner Verachtung gegenüber den Mitmenschen verbarrikadiert hat.

Natürlich wird die aussterbende Männerspezies, die immer noch tut, was getan werden muss, hier nicht nur als Karikatur ans Publikum verfüttert, sondern auch deren altmodische charakterlichen Stärken gebührend gefeiert.

Der langsame Annäherungsprozess zwischen dem unausstehlichen Grantler und dem südostasiatischen Nachbarsjungen über alle Vorurteile hinweg ist sehr unterhaltsam, mit leiser Ironie und ohne angestrengte Läuterungsszenarien in Szene gesetzt. Wie leicht hätte das Vorhaben in ein antirassistisches Krippenspiel hineinmanövrieren können! Aber Eastwood behält auch hier wieder einen scharfen Blick für die Widersprüche der Charaktere und für dramatische Impulse, die das Abdriften in seichte Gewässer verhindern.

Martin Schwickert

USA 2008 R: Clint Eastwood B: Nick Schenk, Dave Johannson K: Tom Stern D: Clint Eastwood, Bee Vang, Ahney Her