Habemus Papam

Auf der Flucht

Ein Papst auf Abwegen: Eine freundliche Albernheit von Nanni Moretti


Das Interview zum Film

Es war alles so schön gelaufen. Der alte Papst unter der Erde, der neue im Konklave nach einigen Wahlgängen gefunden - und jetzt steht der Major Domus am Fester und verkündet der wartenden Gläubigengemeinde "Habemus Papam!", als hinter ihm ein Schrei ertönt, ein Schrei der Verzweiflung und Angst: Der neue Papst, der hinterm Fenster stand und sich gerade der Welt zeigen wollte, ist zusammengebrochen und wimmert. Er fliegt aus dem Raum und stammelt "Ich kann das nicht, ich kann das nicht!".

Der alte Anarchist Michel Piccoli spielt diesen sanft verwirrten Kleriker mit großen Augen und wenig Gesten. Er kann sich plötzlich an nichts erinnern, er hat alle Menschen vergessen, seine Kindheit. Nur dass er nicht Papst sein kann - da ist er sich ganz sicher. Auch der hinzugezogene Psychologe (Moretti spielt ihn selbst) kann dem Papst nicht helfen. Der fliegt schließlich aus dem Vatikan und stromert verwirrt durch Rom, während die Kardinäle nach wie vor im Konklave festsitzen, denn die Papstwahl ist formal noch nicht beendet, was heißt: niemand verlässt das Gelände!

Moretti, einer der freundlichsten Radikalen unter den Filmemachern, geht jeder inhaltlichen Auseinandersetzung aus dem Weg. Sein Film gewinnt Schärfe durch die sanfte Profanisierung seiner Figuren: Kardinäle, die aus Langeweile ein Volleyballturnier organisieren, ein Kardinal, der lieber Schauspieler wäre statt Papst und sich in eine Theaterprobe flüchtet, ein Schweizer-Gardist, der die Papsträume hüten soll und sich dabei an den Süßigkeiten und Köstlichkeiten labt, die für den Papst bereitgestellt wurden - das sind die kleinen Momente, mit denen Moretti seine eigentlich dünne Geschichte in Bewegung hält. Habemus Papam ist keine Kirchensatire, keine Religionskritik, kein Pamphlet gegen hohles Pathos. Beobachtet wird die Zusammenkunft von Menschen, die nicht besonders helle sind und daher ohne Rituale etwas verloren wirken.

So freundlich das daherkommt, mit all seinen logischen Brüchen, Anschlussfehlern und Szenen, die ins Leere laufen, so absolut finster ist das Ende, das eine Stimmung erzeugt, die der Film niemals angedeutet hat. Da stellt sich plötzlich die Frage, ob Gott diese Kirche verlassen hat. Und dann ist der Film aus.

Thomas Friedrich

I 2011 R: Nanni Moretti B: Nanni Moretti, Franceso Piccolo, Federica Pontremoli K: Allesandro Pesci D: Michel Piccoli, Jerzy Stuhr, Renato Scarpa, Nanni Moretti