HAUTNAH

Liebe mit Leerstellen
Altmeister Mike Nichols inszeniert einen hochkonzentrierten Reigen

Zwei Frauen, zwei Männer und vier ineinander verschlungene Liebesbeziehungen. Wenig Aktion. Viel Dialog. Solche Filme kommen normalerweise aus Frankreich. Aber Regisseur Mike Nichols, der bereits 1966 in seinem Debütfilm Wer hat Angst vor Virginia Woolf die Selbstzerfleischungsprozesse von Paaren trefflich in Szene setzte, zeigt in Hautnah erneut Mut und Muße für ein hochkarätiges Kammerspiel.
Julia Roberts, Jude Law, Natalie Portman und Clive Owen spielen vier Londoner Thirtysomethings, deren Lebens- und Liebeswege sich ineinander verschränken. An einer Ampel über den tosenden Verkehr hinweg treffen sich die Blicke von Alice (Natalie Portman) und Dan (Jude Law). Ein unbedachter Schritt. Bremsen quietschen. Als Alice in Dans Armen aus ihrer Ohnmacht aufwacht, sagt sie: Hallo Fremder!. Aus New York ist sie nach London gekommen, um ein neues Leben anzufangen. Gesagt getan. Schnitt. Ein Jahr später sind die beiden immer noch ein glückliches Paar. Dan hat sogar einen Roman geschrieben, der auf dem wendungsreichem Leben seiner Geliebten basiert. Ein Foto von ihm soll auf den Buchumschlag, und so landet er vor der Kamera von Anna (Julia Roberts), in die er sich ebenso plötzlich verliebt, wie in sein Ampelmädchen. Anna lässt ihn abblitzen. Du hast mein Leben ruiniert sagt Dan in einem Anfall von Dramatisierung. Du wirst drüber hinwegkommen antwortet Anna, ohne zu zögern und verliebt sich wenig später in einen Hautarzt namens Larry (Clive Owen). Als Dan und Anna sich ein Jahr später wieder treffen, lodert das Feuer der Erstbegegnung schnell wieder auf. Ein Jahr lang werden sie Alice und Larry betrügen, sich schmerzhaft von ihnen trennen und vergeblich versuchen, auf dem Beziehungsmüllhaufen ihr eigenes Glück anzupflanzen.
Mike Nichols konzentriert sich auf das Wesentliche. Er entwirft eine Leerstellendramaturgie, die sich in Zeitsprüngen vorwärts bewegt und nur den Anfang und das Ende der jeweiligen Beziehung zeigt. Die Veralltäglichung der Liebe, die Abnutzung des Glücks, das allmähliche Verschwinden der Zuneigung - all das überlässt der Film der Imagination des Publikums. Die dramaturgische Entschlackung führt zu einer spürbaren Intensivierung der Wahrnehmung und einer anatomischen Klarsicht auf die Mechanismen erblühender und zerfallender Liebeskonstellationen.
Hautnah, der auf dem gleichnamigen Theaterstück von Patrick Marber beruht, merkt man seine Bühnevergangenheit wohltuend an. Die Dialoge sind nicht an der nachgeahmten Alltagssprache orientiert, sondern leben von literarischer Präzision und Verknappung. All die angestrengten, langgezogenen Rituale vom Kennenlernen und Abschiednehmen einer Liebesbeziehung - hier liegen sie als Konzentrat übersichtlich angeordnet wie ein Sushi-Menü auf dem Teller.
Nichols geht es nicht um Realismus und gerade deswegen erreicht sein Film eine emotionale Wahrhaftigkeit, wie sie das sogenannte Gefühlskino selten erreicht. Nicht einmal die Stars stören dabei. Fast ungeschminkt zeigen Julia Robert und Jude Law, dass sie auf der Leinwand mehr sein können als die bloße Verkörperung einer schönen Illusion.

Martin Schwickert
Closer USA 2004 R: Mike Nichols B: Patrick Marber K: Stephen Goldblatt D: Natalie Portman, Jude Law, Julia Roberts, Clive Owen