HEAD IN THE CLOUDS


Verkitschte Historie

Charlize Theron liebt sich durch den II. Weltkrieg

Glaubt man dem Kino (und wer tut das schon?) dann wurde zu keiner Zeit leidenschaftlicher geliebt als während des Zweiten Weltkrieges. Aber nicht jede Kriegsschnulze hat das Zeug zu Casablanca. Tiefflieger wie Pearl Harbor sind da schon eher die Regel.
Irgendwo dazwischen liegt John Duigans Head in the Clouds, der eine multikulturelle Menage à Trois im Paris der 30er Jahre installiert und durch die Mühlen der Weltgeschichte dreht. Im Zentrum steht die Frankoamerikanerin Gilda (Charlize Theron), die sich ganz dem lebenshungrigen Zeitgeist der Vorkriegszeit hingibt. Mit dem schüchternen Briten Guy (Stuart Townsend) beginnt sie eine unstete Affäre, die sich in kurzen, intensiven Begegnungen entlädt und erst nach Jahren in der Pariser Bohème eine Heimat findet. Hier wohnt Gilda mit der spanischen Bartänzerin Mia (Penélope Cruz) zusammen, die auch ihre Geliebte zu sein scheint. Betont beiläufig flechtet der Film Gildas Bisexualität in den Zeitkolorit der 30er Jahre ein. Zwischen den Frauen bleibt es bei sehnsuchtsvollen Blicken und laszivem Tangotanz, während der heterosexuellen Konstellation sepia-ummantelte Beischlafszenen vergönnt sind. Aber auch in das ausschweifende Lebensgefühl des Trios rieselt langsam die Zeitgeschichte. Mia und Guy zieht es in den spanischen Bürgerkrieg, während Gilda als verdrossene Lebefrau in Paris zurückbleibt. Das politische Engagement empfindet sie als Verrat an der gemeinsamen Freundschaft. Erst als die Deutschen in Paris einmarschieren, erkennt Gilda, dass auch sie Stellung beziehen muss.
Eigentlich ein spannendes Beziehungs- und Moralgeflecht, das John Duigan entwirft. Das Ideal und die Grenzen der freien Liebe, die ungleichen erotischen Machtverhältnisse in einer Dreiecksbeziehung, der Konflikt zwischen persönlicher Loyalität und politischem Verantwortungsgefühl - aus alledem hätte man einen spannende Film machen können. Aber Duigan bleibt überall auf halben Wege stecken und erliegt der eigenen Gefallsucht. Das mondäne Paris der 30er, der spanische Bürgerkrieg in verschneiten Berglandschaften, die deutsche Besatzung in obligatorischen Grautönen - die Geschichte schmilzt auf Puppenstubenformat zusammen. Ohne Inspirationskraft reproduzieren die Filmsets die Klischees, mit denen Hollywood seit Jahrzehnten Europa und seine zerstörerische Geschichte verkitscht.
Gerade für den exzessiven Lebensstil, der im ersten Teil der Geschichte vorgeführt werden soll, hätte man eine weniger biedere Bildsprache finden können. Schwerer wiegt jedoch, dass Duigan seine Charaktere an der kurzen Leine durch den Film führt. Charlize Theron gibt sich als blonde Femme Fatale redlich Mühe, spielt aber - genauso wie die tapfere Penélope Cruz - gegen ein Drehbuch an, das Emotionen eher behauptet als entwickelt.

Martin Schwickert
CAN/GB 2004 R&B: John Duigan K: Paul Sarossy D: Charlize Theron, Penélope Cruz, Stuart Townsend