»HEIMLICHE FREUNDE«

Wem gehört der Rasen?

Das organisierte Spießertum schlägt zu

In der gepflegten Neubausiedlung "Camelot Gardens" gibt es mehr Rasensprenger als Einwohner. Ihr unentwegtes leises Rattern ist die ständige Begleitmusik in John Duigan's Film Heimliche Freunde . Auf den riesigen, akkurat geschorenen Grünflächen stehen in Reih und Glied kleine Neubau-Villen, die im Bausparformat den hochherrschaftlichen Stil des victorianischen Zeitalters nachempfinden. Eine Mauer und ein Wachmann sorgen für Sicherheit. In dieser sterilen Idylle wirkt der junge Gartenarbeiter Trent Burns (Sam Rockwell - Box of Moonlight ) mit verschwitztem Hemd und Zigarette im Mundwinkel wie ein (sehr ansehnlicher) Fremdkörper. Für ein paar Dollar mäht er für die hochnäsigen Bewohner von "Camelot Gardens" den Rasen. Wenn er bei den Herrschaften abkassiert, geht dies selten ohne diskrete Gesten der Demütigung von statten.
Trent wohnt allein in einem Wohnwagen an einer lichten Stelle im Wald. Als die etwas vereinsamte zehnjährige Devon Stockard (Mischa Barton) sich zu der geheimnisvollen Behausung verirrt, glaubt sie sich in einem verzauberten Märchenwald. Offensiv freundet sie sich mit dem jungen Einsiedler gegen dessen erklärten Willen an. Trent weiß, daß es nur Ärger gibt, wenn einer wie er mit einer Zehnjährigen aus der Siedlung zusammen gesehen wird. Trotzdem entwickelt sich zwischen den beiden Außenseitern eine liebevolle und vollkommen unschuldige Beziehung, die von den Bewohnern "Camelot Garden's" mißtrauisch beäugt wird."Es gibt Leute, die den Rasen besitzen und welche, die ihn mähen. Und es sind nie dieselben." sagt Trent einmal.
Je näher sich Trent und Devon bei Wettrülpsen und Hühnerklau kommen, umso deutlicher formiert sich der Unmut der sauberen Vorstädter. Ein kläffender Dobermann, die Knarre in Daddys Handschuhfach, selbst das Knattern der Rasensprenger wird zunehmend aufdringlicher. Wenn die Männer von "Camelot Gardens" endlich einen Vorwand finden, um zum Knüppel zu greifen, kommt es beinahe zu einem Lynchmord. Nur mit Müh und Not entkommt der Film in ein überraschendes Happy End.
Heimliche Freunde lebt von den fein ausgemalten Kontrasten. Recht rührig und ohne herumzukitschen erzählt Regisseur John Duigan von der Freundschaft des ungleichen Paares. Gleichzeitig zeichnet er in sommerlichen Farben ein beklemmendes Bild von der latenten Gewaltbereitschaft des organisierten Spießertums.

Martin Schwickert