L'AUBERGE ESPAGNOL: WIEDERSEHEN IN ST.PETERSBURG

Erwachsen werden

Die muntere Studenten-Clique aus »Barcelona für ein Jahr« trifft sich, gealtert doch nicht gereift, in der charmanten Fortsetzung wieder.

Digitalkamera, kleines Budget, eine geräumige Wohnung in Barcelona und acht junge Schauspieler aus fünf europäischen Ländern: aus diesen bescheidenen Zutaten bastelte der französische Regisseur Cédric Klapisch mit L'Auberge Espagnol - Barcelona für ein Jahr eine erfrischende Studentenkomödie, die allein in Frankreich über drei Millionen Zuschauer ins Kino zog.

Die paneuropäische Chaos-WG feierte die eigene Orientierungslosigkeit als Zustand produktiver Verwirrung. Lebenssinnsuche, Finanznöte, Karriereplanung und natürlich das schwierige Paarungsverhalten geschlechtsreifer ERASMUS-Studenten verquirlte Klapisch zu einem äußerst unterhaltsamen Generationsporträt.
In der Fortsetzung Wiedersehen in St.Petersburg hat das wilde Studentenleben nun ein Ende gefunden, aber an der Orientierungslosigkeit der Figuren hat sich wenig geändert. Xavier (Romain Duris) hat sein Wirtschaftstudium geschmissen und verdingt sich nun in Paris als Auftragsschreiber für TV-Serien. Durchaus seriellen Charakter hat auch sein Liebesleben, dass sich in einer Aneinanderreihung von One-Night-Stands erschöpft. Zur Ex-Geliebten Martine (Audrey Tautou), die als alleinerziehende Mutter und Globalisierungsgegnerin durchs Leben wandert, unterhält Xavier ein streng platonisches Beste-Freundin-Verhältnis. Genauso wie zur lesbischen Barcelona-Gefährtin Isabelle (Cécile de France), die als Wirtschaftsjournalistin Karriere gemacht hat.
Nach der Fusion des Fernsehsenders mit einem britischen Unternehmen wird Xavier nach London entsandt, um die Drehbücher gemeinsam mit seiner früheren Mitbewohnerin Wendy (Kelly Reilly) umzuschreiben. Wer den ersten Teil gesehen hat, wird sich erinnern, wie sich die beiden über ihre unglücklichen Affären gegenseitig das Herz ausgeschüttet haben, ohne dass daraus eine eigenständige Liebesgeschichte wurde. Ein Versäumnis, dass nun in der Fortsetzung glücklicherweise nachgeholt wird.
Ohne allzu verkorkste Drehbuchwendungen gelingt es Klapisch die alte WG-Clique Stück für Stück in die Handlung des Sequels zu integrieren. Munter jettet der Film zwischen Paris, London und St.Petersburg hin und her, ohne seine zentrale Liebesgeschichte aus dem Auge zu verlieren.
Klapisch hat die Charaktere sorgfältig weiterentwickelt und man merkt deutlich, dass in den fünf Jahren auch die Schauspieler erwachsener geworden sind. Schon bald wächst der Film über eine Wiedersehensparty mit sympathischen Filmfiguren hinaus und entwickelt sich zum eigenständigen, glaubwürdigen Porträt der Wir-um-die-30-Generation, die zwischen Anpassungsängsten und Etablierungssehnsüchten hin und her geschleudert wird.

Martin Schwickert

F 2005 R&B: Cédric Klapisch K: Dominique Colin D: Romain Duris, Kelly Reilly, Audrey Tautou