HERE & THERE

Seltsame Wege

Ein kleiner Film über die Liebe zwischen New York und Belgrad.

Wenn das Leben mal stillsteht, hilft äußere Veränderung, manchmal. Der New Yorker Saxophonist Robert jedenfalls tritt ganz schön auf der Stelle: Mit 52 Jahren hat er gerademal eine Platte aufgenommen, von der 200 Stück verkauft wurden (10 davon hat er selbst gekauft), ist notorisch pleite und gerade aus der Wohnung geflogen. Beim Umzug trifft er auf den serbischen Immigranten Branko. Der hat eine Verlobte in Belgrad, die er gerne nach New York kommen lassen würde. Also bietet er Robert 5000 Dollar, damit der nach Serbien fliegt und dort Brankos Verlobte heiratet. Die könnte dann mit einem Visum als Gattin eines US-Bürgers in Brankos Arme kommen.

Weil Robert im Moment alles egal ist, nimmt er das Angebot an und fliegt nach Belgrad. Die Szenen, wie er völlig gleichgültig in Belgrad ankommt (einer Stadt von erstaunlicher Häßlichkeit, geradezu das Bielefeld des Balkan) bilden das Kernstück dieser leisen Komödie von Darko Lungolov, der selbst als Umzugshilfskraft fünf Jahre in New York gelebt hat, bevor er 2003 nach Serbien zurückkam.

Belgrad präsentiert sich so wie Roberts Seelenleben: schlecht gelaunt, halb zerstört und phlegmatisch, auf das Ende des Elends wartend. Es dauert nicht lange, und Robert sitzt im einheimischen Proll-Outfit (grüne Trainingshose, quietschgelbe Jacke) auf einer Bank mitten in der Großstadt und trinkt Bier.

In all dieser Leere, in der er es um nichts mehr zu gehen scheint, bemerkt Robert plötzlich wieder andere Menschen: Brankos Mutter, bei der er untergekommen ist, den netten Nachbarn, die freundliche Zigarettenverkäuferin. Das krempelt Roberts Leben nicht gerade völlig um, aber eines Tages sitzt er, der er kein Instrument mehr anfassen wollte, auf der Terrasse, mitten in Belgrad, und spielt ein paar traurige Töne für die traurigen Blumen in den Balkonkästen.

Dass gleichzeitig Branko in New York in Schwierigkeiten gerät und das Geld für die falsche Hochzeit nicht aufbringen kann, bringt ein bisschen Bewegung und Farbe in diese präzise fotografierte melancholische Kinofantasie. Aber wie die ganze Handlung funktioniert das nicht so richtig; der Film sieht an einigen Stellen so aus, als sollte er mal anders aussehen.

Soweit sich Balkan-Temperament und Kontemplation vertragen, verbindet Here & There beide aufs schönste. Ein süßlich trauriger Soundtrack tut das seine, um eine kleine Geschichte, wie man wieder ins Leben zurückfindet, unaufgeregt und mit vielen liebenswerten Details zu erzählen.

Am Ende ist Robert wieder in New York und murmelt beim Anblick der Skyline traurig "Es ist nicht Belgrad". Sehnsüchte gehen manchmal seltsame Wege.

Thomas Friedrich

Tamo i ovde. Serb./USA/D 2009 R & B: Darko Lungulov K: Mathias Schöningh D: David Thornton, Mirjana Karanovic, Branislav Trifunovic, Cyndi Lauper