HEREAFTER

Das süße Diesseits

Clint Eastwood redet nicht über das Leben nach dem Tod. Aber er hat einen schönen Film darüber gemacht.

Sterben ist nicht schön. Die französische Journalistin Marie LeLay wird 2004 vom Tsunami mitgerissen, unter Wasser gedrückt, von im Wasser treibenden Trümmerstücken hin und hergerissen, kann sich schließlich an einem Ast festklammern - bis sie von hinten ein großes Trümmerstück am Kopf trifft und Marie bewusstlos im Wasser versinkt.

Nur zwei Sterbe-Szenen kommen in Clint Eastwood vor, aber beide sind schrecklich anzuschauen, die erste, weil sie so quälend lange dauert, die zweite, weil wir genau wissen, dass gleich ein Kind sterben wird. Beide Szenen schaffen die notwendige innere Anspannung dafür, dass wir auch im Kino nicht vergessen, wie schrecklich Sterben ist.

Aufbauend auf dieser Spannung, geht der Film mit trauriger Gelassenheit an sein Thema heran: Mary LeLay hat, bevor sie dann doch gerettet wurde, anscheinend einen Blick in die Welt nach dem Leben geworfen, schemenhaft, keinesfalls bedrohlich, aber auch keinesfalls verheißungsvoll. Seitdem quält die ansonsten knallharte Journalistin die Frage: Ist da etwas auf der anderen Seite?

George Lonegan ist für diese "andere Seite" zuständig. Der Amerikaner hat die Gabe, mit den Seelen jenseits unserer Wirklichkeit zu kommunizieren. Lonegan hält das allerdings nicht für eine Gabe, sondern einen Fluch. Nur in Ausnahmefällen nutzt er sein Talent, um anderen zu helfen. Ansonsten geht er schweigsam seiner einfachen Arbeit nach, besucht einen Kochkurs und liebt Hörbücher mit Texten von Charles Dickens. Die Journalistin und das melancholische Medium wissen nichts voneinander. In langen elliptischen Bewegungen kreist der Film die beiden ein, die eigentlich zueinander gehören.

Daraus hat Clint Eastwood ein melancholisches Meisterwerk aus Licht und Schatten gemacht. Obwohl heller als die meisten seiner letzten Arbeiten, setzt Eastwood i immer wieder auf starke Kontraste. Das eigentlich lückenhafte Drehbuch (das Steven Spielberg gekauft und an Eastwood weiter gereicht hatte) beschreibt vor allem einsame Menschen, die in dieser Welt alles verloren zu haben glauben und sich nach Antworten aus dem Jenseits, dem "Hereafter" sehnen.

Eastwood hat gesagt, er wisse auch nicht, ob es dieses Jenseits gebe, er wisse nur, dass die Menschen vor allem dieses Leben, hier und jetzt, genießen und "richtig" leben sollten setzt einfach voraus, dass da etwas ist - immerhin sehen wir für Sekunden, welche Visionen George Lonegan plagen, wenn er Kontakt mit der anderen Seite aufnimmt. Ob er das wirklich erfährt, was er dann darüber erzählt, sehen wir allerdings nicht. Wir sehen nur, dass er darunter leidet.

Der Aufwand fü war untypisch groß: In Hawaii, Paris und London drehte Eastwood diesen leicht sentimentalen Reigen, in dem viel geredet wird und dessen Atmosphäre ein wenig a erinnert, der ja auch eher davon handelt, wie schwer dieses Leben ist.

So wird dieser Film gegen Ende hin immer kleiner: Es ging eigentlich nie um etwas anderes, als dass sich drei Personen treffen, die einander helfen können. Alles andere ist Spekulation.

Eastwood, der im Mai 81 wird, ist längst auf ein anderes Thema neugierig und dreht bereits seinen nächsten Film: Über den FBI-Chef J. Edgar Hoover.

Thomas Friedrich

USA 2010 R: Clint Eastwood B: Peter Morgan K: Tom Stern D: Matt Damon, Cecile de France, Frankie McLaren, George McLaren, Bryce Dallas Howard