»HI-LO COUNTRY«

Männer & Pferde

Stephen Frears entdeckt den Western und Patricia Arquette zwei Cowboys

Schon zu Beginn seiner Western-Variation Hi-Lo Country macht der britische Regisseur Stephen Frears deutlich, daß er seinen eigenen Umgang mit den uramerikanischen Mythen pflegt. Die heilige Kuh des Genres - die innige Verbundenheit zwischen Mann und Pferd - wird schon in der zweiten Szene geschlachtet, als Pete (Billy Crudup) von seinem friedlich grasenden Gaul plötzlich unsanft aus dem Sattel geworfen wird. Pete verkauft sein Pferd wg. Vertrauensbruch und gewinnt dessen Käufer als Freund: Big Boy Matson (Woody Harrelson), ein waschechter Cowboy, einer, der einem überschwenglich auf den Rücken klopft und dabei versehentlich schon mal ein paar Rippen brechen könnte. Gemeinsam träumen die Kumpel vom freien Leben in der Prärie als Rinderzüchter, allerdings zu einer Zeit, in der die Cowboy-Romantik von den Gesetzen industrieller Agrarproduktion eingeholt wird. Als Big Boy und Pete nach dem Zweiten Weltkrieg nach Hi-Lo zurückkehren, hat der Großgrundbesitzer Ed Love (Sam Elliott) die Geschäfte an sich gerissen. Der treibt sein Vieh nicht mehr naturverbunden und abenteuerlustig zur Sammelstelle, sondern fährt es mit dem Transportern zum Schlachthof, um Gewichtsverlust zu vermeiden. Big Boy und Pete lieben nicht nur die alten Cowboy-Rituale, sondern auch dieselbe Frau: Mona (Patricia Arquette) ist mit einem von Ed Loves Männern verheiratet, verdreht Pete den Kopf und beginnt eine Affäre mit Big Boy. Wie schon in David Lynchs Lost Highway lümmelt Patricia Arquette auch hier wieder verführerisch-gelangweilt in offenen Cabriolets. Hi-Lo ist ein überschaubarer Ort, in dem immer noch jeder Mann einen Colt trägt und außereheliche Beziehungen nicht lange geheim bleiben. Mit seiner Liebe zu Mona geht der Draufgänger Big Boy ein durchaus tödliches Risiko ein und stellt zudem die monumentale Männerfreundschaft zu Pete vor eine harte Prüfung.
Als Spätwestern hat Hi-Lo- Country alles, was zum Genre gehört: weite Landschaften, staubige Prärie, echte Kerle, galoppierende Pferde, grasendes Vieh, literweise Whiskey, ausgiebige Saloonschlägereien, und im Zentrum von alledem: eine unumstößliche Männerfreundschaft. Stephen Frears hat der Versuchung widerstanden, die Westernklischees in eine Parodie umzuformen und gibt statt dessen den nostalgisch-romantischen Vorstellungen des Genres sanft nach. Da ähnelt Hi-Lo Country durchaus Frears Gefährliche Liebschaften , denn auch hier wird mit Feingefühl an den richtigen Stellen überhöht, ohne zu übertreiben. Hi-Lo Country ist auf moderne Weise altmodisch. Kameramann Oliver Stapleton zeigt die letzten Cowboys in hübsch leergeräumten Landschaften, in warmen, whiskeyfarbenen Tönen und stilisierten Totalen. Aus dem Off tönen zwar immer wieder Country-Balladen, was die Stimmung betrifft, regiert in Hi-Lo jedoch der Blues.

Martin Schwickert