KÖNIGREICH DER HIMMEL

Ritterspiele

Ridley Scott mag's wieder monumental

Der ungelenke deutsche Verleihtitel (Original: "Kingdom of Heaven") klingt wie eine grammatikalische Fehlstellung, berührt aber den Kern der Geschichte. Denn nicht nur einen Himmel soll es geben, sondern mehrere, in die jede Religion ihre eigenen Erlösungsvorstellungen hinein projizieren kann, die trotzdem in einem Königreich friedlich miteinander vereint sind.
Jerusalem heißt der Ort, an dem solche Utopien gesponnen werden. Im 12.Jahrhundert, zwischen zweitem und dritten Kreuzzug, herrschte unter Christenkönig Baldwin ein fragiler Friede zwischen Christen und Moslems. Das tolerante Nebeneinander von kriselnder Kreuzritterherrschaft und den Heerscharen des muslimischen Führers Saladin (Ghassan Massoud) wird von den politischen Intrigen des Thronfolgers Guy von Lusignan (Marton Csokas) und des Araberfeindes Reynald von Chatillon (Brendan Gleeson) immer wieder bedroht. Held der Geschichte ist der französische Schmied Balian (Orlando Bloom), den es zufällig ins Heilige Land verschlägt. Sein ihm bis dahin unbekannter Vater, Kreuzritter Godfrey (Liam Neeson), war eines Tages bei ihm aufgetaucht, um den unehelichen Sohn als Erben für die Güter nahe Jerusalem einzusetzen. Noch bevor Vater und Sohn über das Mittelmeer segeln können, stirbt Godfrey an den Verletzungen eines Kampfgetümmels, nicht ohne den Sohnemann noch mit letzter Kraft zum Ritter zu schlagen. Der einfache Schmied wird an seinen Aufgaben wachsen, das sandige Anwesen des Vaters in urbares Land verwandeln und schließlich Jerusalem gegen die Invasion der moslemischen Truppen heldenhaft verteidigen.
Orlando Bloom spielt den Ritter wider Willen mit überraschender Überzeugungskraft. Wie sich das für einen modernen Helden gehört, ist Balian ein selbstkritischer Zweifler, der seine Führungsqualitäten erst entwickeln muss und nur widerwillig in den Krieg zieht. Durch eine Hochzeit mit der schönen Sibylla (Eva Green) und der Liquidierung ihres Verlobten Guy von Lusignan hätte Balian den Krieg verhindern können. Aber mit solch unmoralischen Intrigen kann sich die reine Ritterseele nicht anfreunden.
Äußerst schematisch tragen Ridley Scott und Drehbuchautor William Monahan den klassischen Konflikt zwischen Gesinnungs- und Verantwortungspolitik, zwischen Idealismus und schnöden Realo-Strategien aus. Überhaupt verschenkt Scott weitgehend die politischen Implikationen seines Stoffes, weil er zu sehr auf die Mann- und Ritterwerdung seines Helden fixiert ist. Und auf Schlachtengemetzel natürlich. Ähnlich wie in Gladiator wird auch hier in den ersten Szenen die Blutzoll-Quote festgelegt. Später, wenn die muslimischen Heerscharen zur Eroberung antreten, greift Scott in den digitalen Zauberkasten, ohne sich in Massenaufmärschen zu verlieren.
Dass Königreich der Himmel auf hohem filmtechnischen Niveau scheitert, liegt nicht an übertriebener Opulenz und Komparsengewühl. Der aufgeregten filmischen Oberfläche steht ein überraschungsloser Plot gegenüber, der nur darauf ausgelegt ist, den edlen Ritter als humanitären Retter zu feiern.

Martin Schwickert

Kingdom of Heaven R: Ridley Scott B: William Monahan K: John Mathieson D: Orlando Bloom, Jeremy Irons, Eva Green