ICH SEHE DEN MANN DEINER TRÄUME

Comedy-Inzucht

Woody Allen dreht seine Filme immer wieder neu

Am 1. Dezember wird Woody Allen 75 und sein neuer Film Ich sehe den Mann deiner Träume ist wie eine Geburtstagsparty mit alten Bekannten. Die Stimmung ist vertraut, man freut sich einander wiederzusehen, auch wenn man sich nicht unbedingt etwas Neues zu erzählen hat.

Alfie (Anthony Hopkins) etwa ist so ein beharrlicher Widergänger im Allen-Universum. Den alten Knaben befällt eines Nachts die Todesangst, auf die eine nachgezogene Midlife-Crisis folgt. Hals über Kopf verlässt er seine Frau Helena (Gemma Jones), mietet eine Junggesellenwohnung an, strampelt sich wie ein Hamster im Fitness-Studio ab und heiratet das Call-Girl Charmaine (Lucy Punch), die ihn ausnimmt wie eine Weihnachtsgans.

Natürlich ist Helena am Boden zerstört, versucht es mit Selbstmord, Therapie und Antidepressiva, bis sie ihr Heil bei einer Wahrsagerin findet, die ihr das Blaue vom Himmel prophezeit. Aufgewühlt von den Möglichkeiten, die die Zukunft plötzlich bietet, steht sie regelmäßig und prinzipiell unangemeldet bei ihrer Tochter Sally (Naomi Watts) vor der Tür.

Dabei hat die ihre eigenen Sorgen mit Ehemann Roy (Josh Brolin), einem Schriftsteller, der einen erfolgreichen Roman veröffentlicht hat, sich seitdem in die Schreibblockade flüchtet und heimlich der bildhübschen, indischen Nachbarin (Freida Pinto) nachstellt.

Aber auch Sally schaut sich nach Alternativen um, und ihr Chef, der ebenso empfindsame wie stinkreiche und verheiratete Galerist Greg (Antonio Banderas) wäre sicherlich eine gute Partie.

Und so beginnt der Reigen des Begehrens und der Neurosen. Wie ein Kind im Spielzeugladen lassen die Protagonisten auf der Suche nach einem neuen Leben alles fallen, was sie in den Händen halten, und rennen auf der Jagd nach dem großen Glück um, was ihnen im Weg steht.

Allens Blick auf die Figuren ist frei von allen moralischen Ballaststoffen. Mit fast schon mechanischer Zwangsläufigkeit nimmt hier das Schicksal des Begehrens seinen Lauf und das Glück wird ohne Sinn für Gerechtigkeit auf die Charaktere verteilt. Zwischen Zynismus und Nachsicht pendelt der Film im Verhältnis zu seinen Figuren und macht die Illusion - und sei sie auch noch so profan - zum wahren Motor des Lebens.

Anders als in Match Point erfindet sich Allen in diesem Film nicht noch einmal neu. Vielmehr spielt er hier mit altbekannten Versatzstücken, so dass Ich sehe den Mann Deiner Träume in seinem 41 Filme umfassenden Gesamtwerk eher wie ein Inzuchtprodukt wirkt.

Was diesen Routine-Allen trotzdem sehenswert macht, sind zum einen die schnellen, scheinbar übereinander stolpernden Dialoge, in denen sich immer auch die Suchbewegungen des Denkens widerspiegeln. Keiner kann das so gut wie Allen. Zum anderen ist es das hochkarätige Ensemble, das von der konzentriert agierenden Naomi Watts über Josh Brolin, der mit viel Mut zur Peinlichkeit an seine Rolle herangeht, bis zur herzhaft schrillen Lucy Punch dem Jubilar ihr Bestes geben.

Martin Schwickert

You Will Meet a Tall Dark Stranger USA/Spanien 2010 R&B: Woody Allen K: Vilmos Zsigmond D: Josh Brolin, Anthony Hopkins, Gemma Jones, Naomi Watts