ILLUMINATI

Ganz normale Intrigen

Das sieht alles nur aus wie Christen-Kritik: Dan Browns Romane reduzieren Geschichte auf Krawall.

Die Uhr tickt. Zu jeder vollen Stunde wird einer der vier entführten Kardinäle mit einem Brandzeichen auf der Brust hingerichtet, und um Mitternacht soll sogar der ganze Vatikan in die Luft fliegen. Willkommen im Universum von Dan Brown, dem derzeit erfolgreichsten Verschwörungs-Impresario, dessen Sakral-Thriller die internationalen Bestsellerlisten erstürmten und auch in Hollywood die Kassen klingeln lassen.

Bereits 2006 war Tom Hanks in The Da Vinci Code als Symbolforscher Robert Langdon in den musealen Welten von Paris unterwegs, um die unschönen Machenschaften des katholischen Geheimordens Opus Dei aufzudecken. Jetzt begibt er sich mitten hinein ins Herz der klerikalen Finsternis. Ein Entsandter des Vatikans wirbt den Harvard-Professor an. Nach dem plötzlichen Tod des Papstes droht der Geheimbund der Illuminaten mit der Zerstörung des katholischen Hauptquartiers.

Eigentlich waren die Illuminaten, der respektable Persönlichkeiten wie Adolph Freiherr von Knigge und Johann Wolfgang von Goethe angehörten, ein 1776 gegründeter eher harmloser Freidenkerverband, der für eine aufgeklärte und säkularisierte Gesellschaftsordnung eintrat und 1784 mittels massiver Repressalien aufgelöst wurde. Aber der Mythos des Geheimbundes lebte tapfer weiter bis in die Verschwörungstheoretiker-Blogs unserer Tage. In Browns Vision wollen die Nachfolger der Erleuchteten nach fast vierhundert Jahren scheinbar Rache nehmen für die erlittenen Qualen der Vorväter. Ein professioneller Attentäter wurde unter Vertrag genommen, der mit einer gestohlenen Anti-Materie-Bombe den gesamten Vatikan verglühen lassen will, während die Kardinäle sich zum Konklave in die sixtinische Kapelle eingesperrt haben. Gemeinsam mit der adretten Physikerin Vittoria Vetra (Ayelet Zurer) deckt Langdon neben den verschlüsselten Botschaften des Terroristen auch sorgfältig übereinander geschichtete innerkirchliche Intrigen auf.

Für den Heiligen Stuhl sind Browns klerikale Abenteuerfantasien bekanntlich ein rotes Tuch. Die Türen der Gotteshäuser in Rom blieben für die Filmproduktion geschlossen, wodurch alle Kirchen, die im Verlauf der terroristischen Schnitzeljagd aufgesucht werden, ebenso wie der Petersplatz in Los Angeles für teures Geld nachgebaut werden mussten.

Dabei ist Ron Howards Illuminati -Version alles andere als ein Propaganda-Werk gegen die katholische Kirche. Die goldglitzernden Showeffekte katholischer Glaubensausübung kommen bestens zu Geltung, die Würdenträger werden, soweit sie es verdienen, mit Respekt behandelt, die Schweizer Garde kann es mit den FBI-Kollegen durchaus aufnehmen, und am Ende ist sogar der heidnische Wissenschaftler Gott ein paar Zentimeter näher gekommen.

Wenig begeistert werden wahrscheinlich auch die eingefleischten Fans der Romanvorlage sein. Denn Howard hetzt im Laufschritt durch das 700 Seiten starke Werk und setzt vor allem auf die Action-Effekte. Während Brown mit großer Detailfreude die Magie mystischer Symbolwelten beschwört, bleiben Tom Hanks nur wenige Sekunden zur Entschlüsselung, bevor er - stolz wie Wickie - seine zündende Idee verkünden darf.

Dann heißt es wieder Aufsitzen und mit Tatütata zur nächsten Location. Und weil auch Howard gemerkt haben muss, dass Hektik nicht das gleiche ist wie Suspense, geht er auf der Tonspur in die Vollen: Paukengerumpel, bombastische Choräle, Posaunen und Trompeten überfluten den Kinosaal mit Emotionen, die auf der Leinwand keine Entsprechung finden.

Martin Schwickert

USA 2009 R: Ron Howard B: David Koepp, Akiva Goldsman nach einem Roman von Dan Brown K: Salvatore Totino D: Tom Hanks, Ayelet Zurer, Ewan McGregor