Im Keller

Mit Adolf im SM-Raum

Ulrich Seidl geht wieder ganz nach unten

Nach seiner halb inszenierten Dokumentations-Trilogie "Paradies" kehrt Ulrich Seidl wieder dahin zurück, wo er angefangen hat und wofür er berühmt wurde: Zur unverstellt dokumentarischen Betrachtung der ganz normalen Perversion.

Seidls Der Busenfreund, Hundstage oder Import Export spielten eigentlich alle "Im Keller" der Republik Österreich, also dort, wo nicht nur der gemeine Ösi seine finstersten Spießersehnsüchte auslebt, seit Josef Fritzl allerdings mit einer pechschwarzen Konnotation - auf die Seidls allerdings keinen Bezug nimmt. Das verwundert etwas.

Sein Im Keller führt uns unter die Erde, dort wo betrunkene Spießer unter Hitler-Bildern sitzen ("Das Portrait vom Adolf war mein schönstes Hochzeitsgeschenk"), halbbetrunkene Spießer Schießübungen veranstalten (und ein bisschen Ausländerhetzte betreiben; man bekommt das eine wohl nicht ohne das andere), und wo die Domina mit ihrem Ehesklaven Dinge anstellt, die man eigentlich nicht anstellen sollte.

Manche von Seidls Kellerkindern sind richtig nett (die freundliche Masochistin, die nackt und gefesselt völlig unbefangen in die Kamera redet, sie würde sich nie von einem Mann schlagen lassen), manche wirken scheußlich tragisch (die einsame Dame, die im Keller täuschend echte Baby-Puppen einlagert und kost und herzt), manche erfrischend harmlos, wie der zu kurz geratene Freier, der davon spricht, dass er so nett sei, dass erīs bei den meisten Prostituierten umsonst bekäme und dass er ganz toll weit abspritzen könne; das zeigt Seidl dann allerdings nicht.

Überhaupt zeigt Seidl weniger als früher. Fast mit einer gewissen Scheu präsentiert er die dunkle Seite des Lebens, ohne etwas zu erklären, ohne zu erwähnen, was seine Heldinnen und Helden im wirklichen Leben tun, und ohne jene pornografischen Schockmomente, von denen seine frühen Filme lebten. Im Keller ist ein sehr vorsichtiger Film mit viel Distanz, großartigen Bildern und einer leichten Überlänge in der ersten Hälfte. Die durchzuhalten lohnt allerdings, denn Seidls Fähigkeit, aus unzusammenhängenden Bildern und Geschichten am Ende ein überraschend zusammenhängendes düsteres Ganzes werden zu lassen, ist nach wie vor unerreicht und höchst aufregend.

Am Ende steht so ein heimlicher Blaskapellen-Nazi leicht betrunken in seiner Garageneinfahrt, von der wir jetzt wissen, dass sie in seinen Devotionalienkeller führt. Er steckt sich im Abenddämmer eine Zigarette an und schwankt leicht dabei und blickt provozierend nach draußen, ins Dunkel, wo die Kamera steht. Wie fast alle Bilder Seidls, strahlt das eine bedrohliche Einsamkeit aus.

Thomas Friedrich

" 2014 R: Ulrich Seidl B: Veronika Franz, Ulrich Seidl K: Martin Gschlacht. 88 Min.