In Darkness

Drama im Dunkeln

Widerstandskampf gegen die Nazis nicht als Heldenmoritat sondern als Psychodrama

Für die Juden im von deutschen Truppen besetzten Lemberg gibt es 1941 nur noch eine Richtung zur Flucht: nach unten in die Kanalisation.

In der polnischen Stadt an der ukrainischen Grenze, die im Zuge des Zweiten Weltkrieges zunächst von der Roten Armee und darauf von den Nazi-Truppen okkupiert wurde, herrschen Chaos und Hunger. Jeder bestiehlt jeden. Juden werden auf offener Straße erschossen. Ukrainer haben sich den SS-Schergen angeschlossen und helfen mit bei der Liquidierung des Ghettos. Eine Gruppe von zehn Juden flüchtet sich in die Kanalisation. Wer in dem weitverzweigten Labyrinth überleben will, braucht fachkundige Hilfe.

Keineswegs aus idealistischen Gründen bringt der polnische Kanalarbeiter Leopold Socha (Robert Wieckiewicz) die Verfolgten in Sicherheit. Ignacy Chiger (Herbert Knaup), der ein wenig Geld und Schmuck retten konnte, verspricht regelmäßige Entlohnung, mit der Socha sich und seine Familie durch die Kriegswirren durchzubringen hofft.

Neben der wohlhabenden Familie Chiger gehören der Gruppe der erfahrene Gauner Mundek (Benno Fürmann) an, der dem polnischen Helfer nicht über den Weg traut, die junge Klara (Agnieszka Grochowska), die ihre Schwester im Ghetto zurücklassen musste, ein orthodoxer Jude, der sich am Rande der Gruppe hält, und ein Mann, der die Razzia im Ghetto dazu genutzt hat, seine Familie im Stich zu lassen, um mit seiner Geliebten in die Kanalisation zu flüchten.

In den dunklen, feuchten Gängen müssen die unterschiedlichen Menschen zusammenhalten, wenn sie überleben wollen. Ob sie sich auf den Kanalarbeiter, der die einzige Verbindung zur Außenwelt darstellt und die Gruppe mit Lebensmitteln versorgt, wirklich verlassen können, ist immer wieder ungewiss.

Mit In Darkness zeichnet die polnische Regisseurin Agnieszka Holland (Hitlerjunge Salomon / Washington Square) ein komplexes Bild, in dem die dramatische Anspannung der Verfolgten, die klaustrophobischen Ängste in der Enge und Dunkelheit der Kanalisation, ihre vollkommene Abhängigkeit und die daraus resultierenden Vertrauenskrisen zu dem einzigen Menschen, der ihnen hilft, intensiv und glaubwürdig dargestellt werden.

Dabei ist Holland nicht an einem humanistischen Heldengemälde gelegen. Socha ist eine Figur, die sich zunächst aus rein egoistischen Interessen für die Verfolgten engagiert und erst zögernd an der Situation über sich hinaus wächst.

Visuell wagt sich der Film ebenfalls tief in die Dunkelheit hinein, lässt in spärlich ausgeleuchteten Bildern die Düsternis und Feuchtigkeit der Kanäle förmlich an einem hoch kriechen und zu einer bedrückenden und eindringlichen Kinoerfahrung werden.

Martin Schwickert

P/D/F/Kann. 2011 R: Agnieszka Holland B: David F. Shamoon K: Jolanta Dylewska D: Robert Wieckiewicz, Benno Fürmann, Agnieszka Grochowska